Taibei huanying ni – Taipei heißt dich willkommen. Und wie! In den zwei Wochen, die ich schon hier bin, habe ich mich vollständig eingelebt: Angefangen zu arbeiten, Leute kennengelernt, Ausflüge gemacht, IKEA besucht und sogar schon Besuch aus Deutschland bekommen. In der taiwanesischen Hauptstadt werde ich die nächsten dreieinhalb Monate verbringen und den zweiten Teil meines Praxissemesters im Ausland absolvieren.
Angefangen hat meine Reise nach Taiwan eigentlich schon in Mexiko, auch wenn ich zwischendurch (kurz) in Deutschland war. Mittwochmorgen bin ich in Aguascalientes los geflogen, mit Zwischenstopp in Mexiko Stadt und Atlanta, bevor ich Donnerstagvormittag in Stuttgart angekommen bin. Schnell nach Hause, Koffer aus- bzw. umpacken, Freitag noch last-minute Einkäufe erledigen, bevor es Samstagmorgen mit dem Zug zum Frankfurter Flughafen geht. Samstagnachmittag geht es schon wieder weiter, über Changsha und Guangzhou – und Sonntagnachmittag komme ich in Taipei an. Reisebilanz: fünf Tage, vier Länder, acht Flughäfen, sechs Flugzeugmahlzeiten, 13 Stunden Zeitunterschied, 21.000 Kilometer (ein hoch auf den ökologischen Fußabdruck).
Taipei ist für mich nicht vollständig neu. Vom Kontext und von der Dauer des Aufenthaltes her auf jeden Fall, doch die Stadt und einige weitere Orte des Landes habe ich letztes Jahr schon kennenlernen können, als ich mit meinem Vater im Sommer zehn Tage lang durch das Land gereist bin. Wir waren damals beide zum ersten mal in Taiwan gewesen und sofort begeistert, und für mich war sicher, dass ich das Land nochmal besuchen würde. Dass ich so bald wieder hier sein würde hätte ich aber wohl nicht zu träumen gewagt. Gerade, wenn ich an Orten bin, die wir letztes Jahr zusammen als Touristen besucht haben, muss ich schmunzeln, wie die Dinge im Leben manchmal ablaufen.
Anders als Lotti hatte ich nach meiner Ankunft das Glück, gleich vom Flughafen aus direkt zu meiner neuen Wohnung fahren zu können und konnte mir so den Umweg über Hostel und/oder Couchsurfing sparen. So lebe ich jetzt im Süden Taipeis im Stadtviertel der Ewigen Harmonie (kein Witz – genau das ist die wörtliche Übersetzung von 永和區) in einer WG und teile mir die Wohnung mit einem US-Amerikaner und einem Niederländer, die beide schon mehrere Jahre in Taiwan leben und arbeiten. Optimal für mich, denn so sind die besten Voraussetzungen gegeben, dass ich mich schnell zurecht finden werde und schnellstmöglich von Insidertipps profitieren kann. Genauso habe ich durch meine Mitbewohner allein in meiner ersten Woche mehr Locals kennengelernt, als in meinen zweieinhalb Monaten in Mexiko zusammengerechnet.
Mit der Ubahn brauche ich morgens eine knappe halbe Stunde ins Büro. Ich steige bei Yongan Market ein, steige bei Dongmen um und schließlich bei Taipei 101/World Trade Center aus. Mein Praktikum absolviere ich an der deutschen Auslandsvertretung in Taiwan, die sich hier nicht Botschaft, sondern Deutsches Institut Taipei nennt. Da die Bundesrepublik aufgrund ihrer Ein-China-Politik keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan pflegt (mehr dazu in einem späteren Post), gibt es hier auch keinen Botschafter, sondern einen Direktor des Deutschen Instituts – identisch eigentlich in allem, außer seines Namens.
Und dieses Deutsche Institut befindet sich ohne Zweifel nicht nur im coolsten, sondern auch im höchsten Gebäude des Landes. Das erste Mal ins Büro zu kommen war einfach genial. Da hatte ich auch plötzlich vergessen, dass ich von meiner Anreise erst am Vortag eigentlich noch geschafft war. Ich komme in der Ubahn an, fahre mit der Rolltreppe nach oben und stehe in der mehrstöckigen Lobby des Turmes. Mit meinem Kärtchen gehe ich am Wachmann vorbei durch die Schranke und fahre erst mit dem Express-Aufzug direkt in den 35. Stock, bevor ich in der Sky-Lobby umsteige und mit einem anderen Aufzug in den 33. zurückfahre. Es öffnet sich die Glasschiebetüre und ich stehe im Deutschen Institut.
Nicht nur das Büro ist super, sondern mindestens genau so sehr auch meine Arbeit und Kollegen. Diese Auslandsvertretung ist vergleichsweise klein, weshalb meinem Mitpraktikanten und mir relativ viel Verantwortung übergeben wird und wir so die Möglichkeit haben, in viele Bereiche des Tagesgeschäfts reinzuschauen. Hauptsächlich sind wir aber für Rechercheaufgaben zuständig und fertigen Berichte, Protokolle und Präsentationen an. Immer wieder dürfen wir aber auch Kollegen zu Konferenzen, Verabredungen oder sonstigen Veranstaltungen begleiten und manchmal direkt alleine hingehen. Um ehrlich zu sein bin ich auch einfach froh, morgens ins Büro zu kommen und schon klare Aufgaben zu haben und dann den ganzen Tag bis Feierabend beschäftigt zu sein – bei meinem letzten Praktikum war das leider nicht immer der Fall.
Um mich kurz zu fassen: Ich bin wahnsinnig froh, wieder in Ostasien zu sein und in einer richtigen Großstadt leben zu können. Fantastisches öffentliches Nahverkehrsnetz mit Bussen, Ubahn und Bikesharing, 24/7 Convenience Stores an jeder Ecke sowie das Wissen, dass ich zu jeder Tageszeit alles erledigen oder besorgen kann, was ich brauche – ohne auf die Uhr schauen zu müssen (das geht direkt an dich, Bayern, mit deinen Supermärkten, die um 20:00 Uhr schließen). Außerdem freue ich mich auch einfach, wieder regelmäßig Chinesisch reden zu können und bin deswegen besonders froh, mich im Alltag in den meisten Situationen gut verständigen zu können. Gerade, wenn ich an meine Zeit in Korea zurückdenke, war das nicht immer der Fall. Ich bin gespannt, was die nächsten drei Monate mit sich bringen und freue mich schon darauf, das Jahr 2016 in diesem Land gut zu Ende zu bringen. 一會見!
Ahhhh ???✨