Als wir im myanmarischen Bago ankommen fühle ich mich auf Anhieb nach Kathmandu versetzt. Hupende Autos, gemeingefährliche Motorräder, verdreckte Straßen. Von einer Brücke kann ich auf den Fluss hinab blicken und sehe Erde, die von Plastiktüten durchzogen ist.
12,5 Cent
Endlich wollten wir mal aus der Großstadt Yangon mit seinen 7 Millionen Einwohnern entfliehen und einen neuen Blick auf das Land bekommen. So machten wir uns früh auf den Weg zur nahegelegenen Bushaltestelle am Hantharwaddy Square und unsere Reise nach Bago beginnt. Dieser Kreisverkehr ist täglich verstaut und fast unmöglich zu überqueren, sodass ich mich davor stets in Acht genommen habe. An der Bushaltestelle erkundigen wir uns nach dem Bus zu Sule Pagoda. Die Sule Pagoda liegt im südlichen Downtown Stadtteil, also in dem Bereich, den die Kolonialherren nach ihren europäischen Strukturvorstellungen geplant haben. Hier sind die Straßen nach Nummern sortiert, die von links nach rechts durchgezählt sind. Die Busfahrt zur Sule Pagoda dauert etwa 20 Minuten, kostet uns aber nur 200 Kyat pro Person, was etwa ⅛ Euro ist, also 12,5 Cent. Das Prinzip von Rückgeld gibt es hier jedoch nicht, da man seine Scheine (es gibt hier keine Münzen) in eine große Box mit Sparschlitz steckt. Hat man es nicht passend, tja ich weiß es nicht…
Routenplanung
An der Sule Pagoda beginnt die große Suche nach einer Bushaltestelle, die auf keiner Karte eingezeichnet ist und nur mit „Ecke Sule / Ecke Strand Hotel“ angegeben wird. Das Durchfragen führt uns erst nach Süden, dann wieder nach Norden, dann eilen wir einem Bus mit der Nummer 36 hinterher, nur um feststellen zu müssen, dass dieser partout nicht nach Bago fährt. Wir fragen uns also weiter durch und nehmen den nächsten 36er Bus, der zwar die gleiche Nummer, aber eine andere Farbe hat. Hier kommt der Farbcode ins Spiel, den man anscheinend besser als wir beherrschen muss, um das Bussystem zu durchblicken. Mit der 36 in einer beliebigen Farbe fahren wir nun gen Norden und bekommen nur noch gesagt, dass die Fahrt etwa 45 Minuten dauern könnte und bis ganz nach Norden führt. So kommen wir an der großen Shwedagon Pagoda vorbei, am Kandawgi See, an dem wir letzte Woche waren, kommen an großen Villen und kleinen Häusern vorbei bis wir irgendwann auf Höhe des Flughafens sind. Ganz im Norden liegt dieser und wir doch immer noch von der Ringbahn / Cirle Train angebunden, der eine 3stündige Rundfahrt durch die Stadt fährt und die Viertel untereinander verbindet. Doch wir fahren weiter und weiter nach Norden bis irgendwann das Stehen zu anstrengend wird. Mehr und mehr steigen zu und bestärken uns immerhin, dass der Norden ja wohl auch schön sein muss.
Meisterbäcker mit Fingergefühl
Thank Khant heißt unser Ziel zum Umsteigen in Richtung Bago. Tatschá wird es ausgesprochen. Eine Stunde dauert es, bis wir es auf der Karte orten können. Doch dort angekommen stehen wir erst einmal auf einer riesigen Kreuzung und der Regen kommt. Träge sind wir noch durch ein unglaublich großes War Memorial des zweiten Weltkrieges gelaufen und haben die vielen Namen und Abzeichen britischer Soldaten durchlaufen. Doch nun stellen wir uns erst einmal unter und fliehen vor dem gießenden Regen. So landen wir direkt in einem Crêpe-Haus, das myanmarische Crêpes herstellt – aus Reismehl und mit einem ganz und gar nicht flüssigen Teig. Der Meisterbäcker hat einen Teigballen um seine Hand gewickelt und zieht diesen kurz über die heiße Fläche, auf der er bäckt. Durch den kurzen Kontakt bleibt eine dünne Schicht hängen und wird schnell zu einem weich bis knusprigen Pfannkuchen, den man man als 20er Pack frisch kaufen kann. Vier bestellen wir zum Probieren, dürfen aber nicht bezahlen, so gering scheint der Betrag zu sein. Knusprig und lecker sind die frischen Teigfladen, die wir als zweites Frühstück auf die Hand essen. Wenn man jetzt noch selbst gemachtes Nutella hätte…
Kaum raus aus der Großstadt, dörfliches Myanmar
Im Regen finden wir einen Bus, der nach Bago fährt. Ba-góoo ist die alte Königsstadt und Hauptstadt der Mon. Genauso wie die Namen gebenden Bamar (Burma/Birma/Burmesen) haben die Mon ihr eigenes Alphabet, Sprache und Kultur. Früher war es eine bedeutende Stadt, die immer noch viele Pagoden beheimatet. Doch uns empfängt sie zunächst laut, hupend, verdreckt und gar nicht so Willkommen heißend. Vor dem Monsun scheinen wir die einzigen Touristen in der Stadt zu sein und werden prompt angesprochen, ob wir nicht dieses Taxi oder jenes Hotel oder dortiges Restaurant suchen. Und wieder fühle ich mich nach Kathmandu zurück geworfen, wo die Verkäufer viel aufdringlicher waren als ich es in Yangon je gesehen habe in diesen zwei Wochen.
Nach Kathmandu zurück versetzt
Es ist anstrengend, dem Lärm ausgesetzt zu sein und ich merke schnell den großen Unterschied zu Yangon. Dort sind Motorräder verboten, nur Autos, Fahrräder und Rikschas (hier Trikshaws genannt) sind auf den Straßen erlaubt. Die Autos sind neu, modern und mit Filtersystemen ausgestattet, die die Motorräder nicht immer bieten können. Zudem sind wir von der vierstündigen Anreise müde und hatten noch keinen ersten Kaffee des Tages. Alles keine begünstigenden Faktoren. Doch als wir ein Fresh Thai Restaurant auf dem Dach einer Shopping Mall finden, komme ich auch langsam wieder zu Kräften. Mit Keksen und Saft ausgestattet lässt sich das Chaos der Hauptstraße schon viel besser ertragen und als ich die erste Pagoda erblicke, kann der Tag beginnen.
Bee Throne: Unerwarteter Prunk
Die Bee Throne Hall ist in jeder Hinsicht erstaunlich. Er ist riesig und in knalligem Gold wirklich beeindruckend. Ich hatte gar nicht mit einem derart großen Tempel gerechnet und bin erst einmal baff. Zwar muss die weite Reise ja wirklich irgend einen Sinn haben, aber dass wir durch ein Wohngebiet streifen und plötzlich vor einem solchen Tempel stehen, ist krass. Die Bee Throne Hall beherbergte die königlichen Privatgemächer mit Schlafgemächern und Wohnzimmern. Das verwinkelte Gebäude hat mehrere ineinander greifende Dächer, Ebenen und falsche Böden. Gesäumt ist es von einem Pyatthat, einem siebenstöckigen Dach. Nicht weit entfernt liegen die Gebäude, in denen die restliche königliche Familie untergebracht war. Auch im nahe gelegenen Goldenen Kanbawzathadi Palast kann man gut den Prunk und Reichtum des zweiten burmesischen Königreiches erkennen. Dies ist zwar kein Original, doch eine Rekonstruktion des originalen Königspalastes, der aus dem 16. Jahrhundert stammt und fast 80 Wohnungen und Hallen maß. Dafür dass wir schon dachten, das Gelände wäre uninteressant und/oder geschlossen, ist das schon eine gute Bilanz. Wir begutachten die uralten Teak-Stelen, die den früheren Königspalast getragen haben und die nun nur noch als marode und zersetzte braune Stummel erkennbar sind. Doch stellt man sich vor, dass sie aus dem 16. Jahrhundert stammen, dann ist das auch in Ordnung.
Zurück auf der friedlichen Straße machen wir uns auf den Weg zum nächsten Tempel, der großen Pagoda Shwedawmaya. Sie ist sogar größer als das Wahrzeichen Yangons und kann durchaus mit ihrer Leuchtkraft und Imposanz mithalten. Nachdem einige Reisebusse uns beim alten Königspalast begleitet haben sind wir hier nun die einzigen Touristen. Es ist insgesamt nicht viel los und es ist ein wirklich traumhaftes Gefühl, den Platz entspannt erkunden zu können. Wir flanieren um die große, goldene Glockenform herum und ich gerade wirklich ins Staunen. Es ist ein ganz anderes Gefühl als bei der Bouddhanath Pagoda in Nepal. Dort war ein geschäftiges Treiben und unzählige Händler priesen ihre Ware an. Tibetische Gebetsfahnen, Thanaka-Gemälde in jeder Größe und Farbe, Masken, Steine, Schmuck, Gemälde. Das Erlebnis kam, wenn man sich auf Augenhöhe mit der Stupa begeben hat. Dann saßen wir auf der Dachterrasse des kleinen Restaurants und genossen einfach den Ausblick. Dort konnte ich für Stunden und Stunden sitzen, staunen und völlig glücklich das Treiben beobachten. Teil davon war ich nicht, aber das vermisste ich in dem Moment auch gar nicht.
Doch hier in Bago sind die Pagodas anders. Sie sind nicht touristisiert, noch nicht erschlossen, noch nicht verändert und umbaut, um vielen Menschen einen tollen Ausblick zu gewähren. Hier gibt es keine Spiritualität, keine Mönche, keine Laufrichtung, die nicht durchbrochen werden darf. Eine ganz andere Ruhe und Einfachheit liegt hier. Ein durchweg goldene Stupa mag zwar nicht auf Anhieb einfach erscheinen, doch sie ist einfach gehalten, simpel, letztlich einfarbig. Gold geht in Gold über und formt sich zu Spitzen, Rillen, Vorständen und Rundungen. So ist es wirklich ein Erlebnis, barfuß auf den Fliesen zu schlurfen, in jedem neuen Blickwinkel die Pagoda abzulichten und sie doch schwerlich als Ganzes auf die Linse zu kriegen. Von der Spitze ertönt Glockengeläut von unzähligen kleinen Glöckchen und der Gewitterhimmel tut sein Restliches zur besonderen Stimmung.
Auch im kleinen Kloster am Ortsende sind wir die einzigen weit und breit, die das Monument besichtigen. Ein paar Kinder kabbeln sich auf dem Boden und spielen. Nur ein mürrischer Wachmanns sitzt neben den Wasserspendern, an denen ich unsere beiden Wasserflaschen mit Trinkwasser auffüllen kann. Kaum reagiert er auf unser „Ce zu ba deh“ – Danke sehr, doch das ist auch ok. Was für eine Tätigkeit muss es für ihn sein, ein leeres Kloster zu bewachen?
Mit dem Pickup fahren wir zurück ins Stadtzentrum, nun deutlich schneller über die lärmende Straße und sind froh, die letztlich recht kurze Strecke nicht gelaufen zu sein. Doch kurz bevor wir in der Nähe der großen Buddha Statue ankommen, wird unser ambitionierter Plan durchkreuzt. Erst tropfend, dann stärker und letztlich strömend kommt der Regen herab und für uns steht fest: den Buddha sehen wir bestimmt beim nächsten Mal.