Durch Marokkos Norden zu reisen ist schon immer eine Erfahrung. Man lässt die karge, dürre Landschaft des Südens hinter sich, passiert die gemäßigte Oase Rabat, dieses tolle Zuhause, und fährt schnurstracks mit dem Zug gen Norden.
Assilah liegt vier Stunden nördlich von Rabat am Meer, Paradies für Fischesser und entspannte Bummler in einem Städtchen, das sich gerade scheinbar von einem traditionellen, simpel gehaltenen Örtchen ohne groß kulturell Interessantes zu einem Touristenmagnet transformiert. Der Strand ist weit, doch nichts Außergewöhnliches, die Stadt wunderschön und jährlich aufs Neue mit bunten Zeichnungen verziert, die die blau-weiße Architektur perfekt ergänzen. Die Medina bietet einen tollen Blick auf die schroffe Steinküste, an der die Wellen krachend brechen und die Möwen kreischen. Die Gassen bieten Kühle und schlucken die lauten Geräusche des Tages und lassen die Gemälde und das Handwerk perfekt erkunden. Südlich von Assilah führen Trampelpfade an der Küste entlang, winden sich durch Sträucher, über Hügel, auf Disteln und Erde, passieren tote Katzen und süße Schildkröten und durchqueren Viehherden und Ziegenscharen. Sie führen nach Rmilat, zum Las Huevas, zum Paradise Beach, 2 Stunden zu Fuß südlich der Stadt; laut marokkanischen Angaben nicht mal eine Stunde. Hier ist es ruhig, das Wetter herrlich, das Wasser eisig, die Wellen stark und der menschenleere Strand entspannt. Zurück führt unser Weg an Farmen und Ziegenhirten vorbei durch die Felder in Richtung Straße, gar nicht so weit von manch deutscher Feldwege entfernt.
Tangier stand so manche Zeit unter internationalem Status, bietet bei guter Sicht träumerischen Blick auf die spanische Südküste und ist ein unfassbarer Mix aus allem, das man sich nur vorstellen kann. Truman Capote sagte, bevor man nach Tangier gehe solle man seinen Freunden Adieu sagen, all sein Geld von der Bank abheben und sich darauf einstellen, diese Stadt nie mehr zu verlassen. Derzeit leider zerrüttelt durch ein enormes Bauprojekt, das die gesamte Küstenfront revolutionieren soll, führt der Weg durch die Stadt über mehrere Kilometer von Ost nach West und passiert Luxushotels, Appartments-Buildings, Cafés, die allgegenwärtigen Alimentaires und nicht zuletzt die Fährbüros nach Spanien. Die Stadt ist unfassbar hügelig, verwinkelt und stark mit Verkehr verstopft. Die Medina, die alte Stadt trumpft auf dem Berg, bietet einen wunderschönen Blick auf das strahlend blaue Meergemisch zwischen Atlantik und Mediterranee und beherbergt die Kasbah, die James Bond kürzlich in Spectre durchschritt.
Für mich ist Tangier die Inkorporation des gigantischen Transfers, dem sich das traditionsbewusste Marokko gerade aussetzen lässt. High-tech-Bauten neben Kulturgutmedina, Europäische Güter neben frischem Hubz (Brot), Vegetable Markets à l’Ancienne und Spice Hanouts (Store Keepers).
Ändere dich nicht zu sehr, Marokko! Bleib dir deiner Wurzeln bewusst und lasse dich nicht an Tourismus und Kapitalismus verkaufen. Das ist es nicht wert. Bleib wie du bist, genauso bist du richtig.