Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2/ Covid 19
Autorin: Olga Koeva
Es ist ein warmer Sonntagmorgen. Die Sonne erhellt die Straßen einer kleinen Stadt meiner Heimat Bulgarien. Man sieht viele Menschen durch die Straßen, Parks und Waldwege spazierengehen und miteinander reden. Man sitzt auf einer Bank im Park und unterhält sich mit jemandem über alle möglichen Themen.
Diese Aktivitäten, die für das soziale Leben jedes bulgarischen Bürgers bis vor Kurzem selbstverständlich waren und zu jedermanns Alltag gehörten, sind momentan nicht mehr erlaubt. Durch die Coronapandemie wurde das Leben meiner Landsleute stark verändert. Jeder muss sich jetzt mit seinen Familienangehörigen oder alleine zu Hause aufhalten, ohne Kontakt mit Freunden oder Verwandten aufzunehmen. Die virtuellen Meetings über verschiedene soziale Netzwerke ersetzten die Besprechungen am Arbeitsplatz oder die Treffen mit Mitschülern oder Mitstudenten. Die virtuelle Kommunikation ermöglichte es auch, dass Auszubildende Unterricht von zuhause aus bekommen können.
Hintergrundinformationen
In Bulgarien begann die intensive Ausbreitung des Coronavirus im März. Als die Zahl der von Corona Infizierten um 16 Personen erhöht wurde und sämtliche Fälle 23 wurden, kündigte die bulgarische Regierung während einer Sitzung einen Ausnahmezustand an, der vom 13.03.2020 beginnen und bis zum 13.04.2020 dauern sollte. Dieser Ausnahmezustand sollte folgende Aspekte beinhalten:
- Der Innen- und Außenverkehr wurde eingestellt (es wurden also Ein- und Ausreisebeschränkungen eingeführt und die Grenze wurde gesperrt)
- Ausgangsbeschränkungen wurden eingeführt (Spaziergänge wurden verboten)
- Alle Ausbildungsstätten sowie viele Geschäfte (außer Lebensmittelgeschäften) wurden geschlossen und alle öffentlichen Veranstaltungen wurden eingestellt.
Am 2. April wurde der Ausnahmezustand bis zum 13 Mai verlängert. Das bulgarische Parlament stimmte mit 123 Stimmen dafür, mit 5 dagegen und mit 0 Enthaltungen ab.
Im Moment befinden wir uns fast am Ende dieser Periode und es werden auch Lockerungen vorgenommen. Am 26 April kündigte der Gesundheitsminister Cyril Ananiev an, dass Spaziergänge in 10 Parks der Hauptstadt Bulgariens Sofia sowohl für Kinder bis zum Alter von 12 Jahren (mit Begleitung) als auch für Hundebesitzer erlaubt seien. Dies könnte aber unter bestimmten Bedingungen erfolgen: Kinder dürften jeden Tag von 9.30 Uhr bis 18.30 Uhr die Parks besuchen, während Hundebesitzer dies jeden Tag vor 9.30 Uhr oder nach 18.30 Uhr tun dürften. Das Ganze wird in den Parks kontrolliert und jeder, der gegen diese Regeln verstößt, wird bestraft.
COVID-19 und das soziale Leben der Bulgaren
Das soziale Leben meiner Landsleute hat sich nach den von der Regierung eingeführten Beschränkungen sehr verändert. Dies war sehr gewöhnungsbedürftig für jedermann: man darf nicht spazierengehen, Cafébesuche oder Picnics im Freien sind ebenfalls verboten. Ich möchte hier einige Beispiele aus meiner Heimatstadt Shumen vorbringen, die mir meine Verwandten erzählt haben. Mir wurde gesagt, dass es einen Stundenplan der Besuche der Lebensmittelgeschäfte gibt. Morgens (von 10.00 Uhr bis 11.00 Uhr) dürfen Leute über 60 ins Geschäft, während danach alle anderen Altersgruppen die Geschäfte besuchen dürfen. Es stellte sich heraus, dass manche ältere Leute über 60 diese Regel am Anfang der Beschränkungen nicht einhielten und um andere Uhrzeiten in die Geschäfte kamen. Die weitverbreitetsten Argumente, die man hörte nach der Frage, warum sie die Regeln nicht beachteten, war, dass diese Uhrzeit ihnen zu früh sei, dass sie den Lieblingsfilm verpassen würden und keine Zeit zum Kaffeetrinken hätten.
Im Laufe der Beschränkungen gewöhnten sich viele ältere Menschen an diese und alle anderen Regeln. Viele sind dessen bewußt, dass sie zu einer Risikogruppe gehören. Nach Berichten meiner älteren Verwandten, die alle Beschränkungen beachten, wurden ältere Menschen viel passiver, was deren sozialen Kontakte betrifft. Sie telefonieren manchmal mit Freunden oder Familienangehörigen, aber die meiste Zeit verbringen sie vor dem Fernsehen.
Das Verbot ins Freie zu gehen, hat auch auf die Bevölkerung von Shumen Einfluss genommen. Nachdem diese Regel in Kraft trat, begaben sich viele Menschen ins Freie und begannen, Picnics zu veranstalten und zu grillen. Sie achteten weder auf die Ermahnungen der Polizei noch auf die Tatsache, dass sie bestraft werden könnten.
Man fragt sich wahrscheinlich, wieso sich einige Bulgaren auf diese Art und Weise verhalten und die Regeln nicht beachten wollen. Zum Einen mögen Bulgaren keine Regeln schätzen, was das Gegenteil der deutschen Mentalität ist. Strukturen und Regeln sind das A und O in Deutschland. Zum Anderen glauben viele überhaupt nicht an die Ernsthaftigkeit der aktuellen Situation. Die Behauptung, das Coronavirus sei eine Grippe ist sehr verbreitet. Schließlich glauben einige auch der Regierung nicht. Ihre Einstellung ist also: was die Regierung sagt, ist Lüge oder etwas Erfundenes. Meiner Meinung nach ist diese Einstellung dem geschuldet, dass das politische System in Bulgarien korrupt ist und dass die Bevölkerung das Vertrauen an Politiker verloren hat.
Wie im obengenannten Beispiel wurde auch diese Einschränkung immer mehr eingehalten. Wie aus Erzählungen meiner Bekannten hervorgeht, haben Menschen angefangen zu begreifen, dass es nicht nur für sie, sondern auch für die ganze Bevölkerung besser wäre, zu Hause zu bleiben und die Regeln zu beachten.
Abschließend sollte es erwähnt werden, dass die Beschränkungen einerseits für unsere Bevölkerung vorteilhaft sind. Im Vergleich zu anderen Balkanländern wie z. B. Nordmazedonien, wo die Erkrankten pro 1 Mio. Leute 729 sind, schneidet Bulgarien besser ab (mit 238 Infizierten pro 1 Mio. Menschen) (Informationen vom 04.05.2020). Andererseits könnten die Beschränkungen einen Nachteil besonders für die älteren Menschen haben. Wenn man nur zu Hause sitzt, wird das Immunsystem schwächer. Wenn man dagegen regelmäßig ins Freie geht, wird es gestärkt. Deshalb könnten Beschränkungen, die denen in Deutschland ähnlich sind, besser für die bulgarische Bevölkerung sein, weil es in Deutschland erlaubt ist, u. A. ins Freie zu gehen.
Fazit
Das soziale Leben der Bulgaren wurde durch die Beschränkungen stark verändert. Manche halten sie ein, manche tun es aber nicht. Für die, die sie beachten, ist es klar, dass dies nicht für sie selbst wichtig ist, sondern für die ganze Bevölkerung.
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2/Covid19 Krisen entstanden