Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2/ Covid 19
Autor: Andreas Burkhard
Seit Mitte Januar befinde ich mich für mein Auslandssemester an der San Diego State University in den USA. Insbesondere in meinem East Asian Politics Kurs war Corona von Beginn an Thema Nummer 1. Unser chinesischer Professor liefert zu Beginn der Pandemie sehr interessante Einblicke und Hintergrundinformationen zur Situation in China. Trotzdem wird es bis Mitte März kaum Auswirkungen auf unseren Alltag geben.
Aber der Reihe nach: Am 21. Januar wird in den USA, genau wie in Südkorea, der erste Infizierte festgestellt. Die folgenden sechs Wochen verlaufen in den beiden Ländern allerdings denkbar unterschiedlich. Während in Südkorea innerhalb kurzer Zeit ein zuverlässiger Test entwickelt wird und erste Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen werden, gibt es in den Vereinigten Staaten große Probleme bei der Entwicklung eines funktionsfähigen Tests. Labore dürfen diese zu Beginn nicht eigenständig durchführen und die Regierung in Washington ist damit beschäftigt die Gefahren des Virus herunterzuspielen und abzulenken. Allen voran natürlich der Präsident höchstpersönlich. Noch am 24. Februar äußert sich Donald Trump auf Twitter so: „The Coronavirus is very much under control in the USA.” Zu diesem Zeitpunkt gibt es 51 bestätigte Fälle.
Wie die New York Times berichtet, wurden bereits Ende Januar eindringliche Warnungen von hochrangigen Offiziellen an Trump herangetragen, darunter von Gesundheitsminister Alex Azar und Handelsberater Peter Navarro. Auch gab es bereits im November 2019 erste geheimdienstliche Erkenntnisse, die auf eine potenzielle Gefahr schließen lassen konnten und dem Weißen Haus mitgeteilt wurden.
Spulen wir vor zum 7. März: Unser Wochenendtrip nach Mexiko verläuft nicht ganz wie geplant. In einem Nachtclub werden direkt neben uns zwei Menschen erschossen und vier weitere verletzt. Wir sind froh am Leben zu sein und machen uns am nächsten Tag auf den Weg nach Tijuana, der gefährlichsten Stadt der Welt. Nach feiern ist uns allerdings nicht mehr zumute. Zurück in San Diego bin ich mir sicher, dass mich demnächst nichts mehr so schnell beeindrucken wird. Da mich die Entwicklungen der nächsten Wochen schnell eines Besseren belehren, ist die Schießerei erstaunlich schnell vergessen und Mexiko bleibt mir glücklicherweise als wunderschönes Land mit freundlichen Einwohnern und leckerem Essen in Erinnerung.
Ab Mitte März überschlagen sich die Ereignisse. Bereits am 13. März wird der Campus meiner Uni geschlossen, am 16. März verhängt San Francisco die ersten Ausgangsbeschränkungen und am 19. März zieht Gouverneur Gavin Newsom nach und verkündet eine „shelter in place“ order für ganz Kalifornien. Der Großteil der internationalen Studierenden verlässt fluchtartig das Land. Nachdem man das Herunterspielen und Leugnen der Krise durch die US-Regierung während der vergangenen zwei Monate live mitverfolgen konnte, dürfte vielen bewusst gewesen sein, dass Covid-19 in den USA einen schlimmen Verlauf nehmen könnte.
Doch selbst am 24. März ist sich Donald Trump der Ausmaße der Krise noch nicht vollständig bewusst. An Ostern würde er sich über volle Kirchen freuen, twittert er. Zu diesem Zeitpunkt gibt es 53.736 Fälle und 706 Tote.
Als mein Mitbewohner Anfang April Symptome entwickelt, wird er von seinem Arbeitgeber nach Hause geschickt und darf erst wiederkommen, wenn er einen negativen Test vorweisen kann (Cannabisläden gelten in Kalifornien als essential). Zu diesem Zeitpunkt ist es praktisch unmöglich einen solchen zu bekommen, solange man kein Fieber vorweisen kann. Eine Woche später fahre ich ihn in die Notaufnahme, er hat Schwierigkeiten beim Atmen und wird nun doch getestet. Nach einer weiteren langen Woche des Wartens erhält er das Ergebnis: negativ. Mittlerweile kam auch eine Rechnung über 3000 $. Millionen Amerikaner gehen aus genau diesem Grund gar nicht erst ins Krankenhaus. 28,5 Millionen Menschen verfügen hierzulande über keine Krankenversicherung. Einen teuren Test können sie sich schlicht nicht leisten, geschweige denn die Kosten eines längeren Krankenhausaufenthaltes. Schnell droht in den teuren Städten Kaliforniens die Obdachlosigkeit. Mittlerweile haben sich über 30 Millionen Amerikaner arbeitslos gemeldet. Wie die Grafik zeigt ein historischer Wert, neben dem die Finanzkrise von 2008 verblasst.
Besonders die fehlende Führung und Vorbereitung der Bundesregierung dürften zur aktuellen Lage maßgeblich beigetragen haben. Gouverneure reagieren zunehmend mit eigenen Initiativen und Maßnahmen. So schickten Kalifornien und Oregon nicht benötigte Beatmungsgeräte nach New York und sowohl Staaten der Ostküste als auch der Westküste bilden Allianzen, um die Krise gemeinsam in den Begriff zu bekommen. Auf Hilfe durch die Regierung in Washington möchte sich hier niemand mehr verlassen. Mittlerweile haben sich auch Nevada und Colorado angeschlossen. Eines haben fast alle diese Staaten gemeinsam: demokratische Gouverneure. Doch selbst Staaten unter republikanischer Führung wie Maryland bleibt nichts anderes übrig, als auf eigene Faust hunderttausende Tests in Südkorea zu bestellen.
Als ich diesen Artikel am 01. Mai verfasse gibt es in den Vereinigten Staaten 1,1 Mio. bestätigte Fälle und über 64.000 Tote. Ich bin froh in Kalifornien zu sein, wo der Gouverneur und viele Bürgermeister nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Testen mittlerweile herausragende Arbeit leisten und die Quoten sogar unter den Werten Deutschlands liegen. So kann ich das Leben in der wohl schönsten Stadt Amerikas weiterhin genießen und das Semester gut über die Bühne bringen.
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2/ Covid 19 entstanden.