Nach langer Zeit geht es für uns endlich zurück auf das gepflegte Grün. Der Ball rollt wieder, doch etwas ist anders als sonst. Die Vorfreude ist nicht dieselbe. Denn Fußballtraining heißt in diesen Zeiten vor allem eines: Die Einhaltung eines aberwitzigen Maßnahmenkatalogs. Ähnliches gilt auch für die Profis der Bundesliga. Die Rolle des Fußballs im Jahr 2020 ist sicherlich eine fragwürdige. Das Leitmotiv heißt Schadensbegrenzung.
Besonders viel Spaß machten die ersten Trainingseinheiten nach Ausbruch der Pandemie nicht. Der Grund ist ganz einfach: Mit Fußball hatte das alles wenig zu tun. Ein wenig Kicken, sicherlich besser als nichts, so dachte man im ersten Moment, doch die sterilen Laborbedingungen nehmen dem Volkssport schlichtweg alles, was es einst zum Volkssport machte. Übungen nur in Fünfergruppen, Sicherheitsabstand, sehr viel Desinfektionsmittel und viele weitere Vorgaben wie das Kopfballverbot sollen das Infektionsrisiko minimieren. Was ab 11. Mai in Bayern wieder offiziell möglich war, glich zugebenermaßen mehr einer Farce als eines ernsthaften Lösungsansatzes. Kein Wunder, dass ein Großteil der Amateurvereine bis dato die Füße stillhält. Denn viele essenzielle Fragen bleiben noch immer ungeklärt.
Profis bereits im Spielbetrieb
Im Profibereich war der Trainingsbetrieb zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder in vollem Gange. Erst in Kleingruppen, später durfte auch wieder das klassische Mannschaftstraining aufgenommen werden – in den meisten Bundesländern zumindest. Nach wochenlanger, öffentlich ausgetragener Debatte kam es Anfang Mai zum Durchbruch bei der Ministerpräsidentenkonferenz: Der „Re-Start“ der 1. und 2. Bundesliga war beschlossene Sache. Selbstverständlich in Form von Geisterspielen – sprich ohne Publikum. Dies rief nicht nur in der breiten Gesellschaft, sondern allen voran auch unter Fans gemischte Reaktionen hervor. Es war sicherlich eine Sache der Abwägung. Ziel war in erster Linie, Vereine vor dem finanziellen Ruin zu bewahren und ein Stück weit Normalität in den schwierigen Alltag vieler Bürger zurückkehren zu lassen. Doch zu welchem Preis? Viele werfen der Deutschen Fußball Liga (DFL) astreinen Lobbyismus gegen gesellschaftliche Interessen vor. Test-Kapazitäten würden verschwendet. Zudem wird dem Sport das wohl wichtigste emotionalisierende Element genommen: Die Fans auf den Rängen. Ich persönlich bin zwiegespalten. Doch wie jeder andere Fußballfan schalte auch ich samstags wieder Woche für Woche ein. The show must go on!
Amateure weiterhin im Ungewissen
Das bisher gut gelungen Prestigeprojekt der Profiligen täuscht über die prekäre Lage im Amateurfußball hinweg. Auch dort fallen wichtige Einnahmen weg. Doch viel bedrohender ist quälenden Ungewissheit. Wann es weiter geht, trauen sich derzeit wohl nicht einmal Astrologen vorherzusagen. Um ein Quäntchen Planungssicherheit zu gewährleisten, trafen die unterschiedlichen Landesverbände unterschiedliche Entscheidungen. Fast alle entschieden sich grundsätzlich für einen Saisonabbruch. Lediglich Bayern und Thüringen in der Rolle als gallische Dörfer fielen aus der Reihe. Für mich und meine Mannschaft ist der Stand also folgender: Die aktuelle Spielzeit ist vorübergehend unterbrochen und soll frühestens am 1. September fortgeführt – mit Option auf eine Verschiebung des Starttermins bis ins kommende Kalenderjahr. Zu allem Überfluss bringt dieses Modell ungeahnte Schwierigkeiten in Sachen Spielerverträge und etwaige Vereinswechsel mit sich, denn die herkömmlichen Fristen sind wenig überraschend hinfällig. Juristische Streitigkeiten sind demnach vorprogrammiert – und zwar nicht nur in Bayern. Voraussetzung für die Wiederaufnahme sind abgesehen davon natürlich Lockerungen, die einen „normalen“ Spielbetrieb ermöglichen. Ein Konzept wie in den Profiligen ist nicht denkbar.
Strenges Hygienekonzept in der Bundesliga
Warum das so ist, bedarf nur einen kurzen Blick auf die konkreten Maßnahmen in der Bundesliga. Strenge Quarantänevorschriften für die Teams, regelmäßige Corona-Testungen und sofortige Isolation des gesamten Teams bei positiven Fällen. Letzteres musste Zweiligist Dynamo Dresden noch vor Beginn des ersten Geisterspieltages am eigenen Leib erfahren. Das Hygienekonzept geht jedoch noch viel weiter. Was dann im Stadion selbst vor und während des Spiels abläuft, ist blanker Symbolismus. Man könnte so weit gehen und es Hohn und Spott für den mündigen Bürger nennen. Auswechselspieler sitzen mit reichlich Sicherheitsabstand auf der Tribüne neben Teamkollegen, mit denen sie Tag für Tag in Kontakt sind – die Masken dürfen natürlich nicht fehlen. Zum praktischen Nutzen dieser PR-Aktion finden sich wenig überraschend keine sinnvollen Begründungen. Es wird lediglich immer wieder auf die Vorbildfunktion hingewiesen. Ähnlich sieht es mit dem Gebot des kontaktlosen Jubels aus. Hart geführte Zweikämpfe und enge Manndeckung bei Eckbällen sind hingegen kein Problem. Um diesen Widerspruch zu erkennen, muss man kein Virologe sein. Doch das deutsche Konzept hat bereits Nachahmer gefunden. Die Top-Ligen in Italien, Spanien, England und orientieren sich an dem europäischen Vorreiter und stehen ebenso in den Startlöchern. Made in Germany scheint weiterhin Programm zu sein.
Dem Fußball wird in diesen Tagen in noch nie dagewesener Weise der Spiegel vorgehalten. Wie weit die Spitze inzwischen von der Basis entfernt ist, wird deutlicher denn je. Der Profifußball macht sich seine herausragende gesellschaftliche Stellung zunutze, um betriebswirtschaftliche Interessen zu durchzubringen. Die Bevölkerung macht zähneknirschend mit. Denn ein wenig Fußball ist besser als gar kein Fußball. Daran ist auch nichts auszusetzen. Doch es fehlt die Ehrlichkeit. Es ist ein Schauspiel, bei dem die Akteure Masken tragen.
Ein Unterschied wie Tag und Nacht
Die Amateure sind es jedoch, die weiter in die Röhre schauen. Klare Aussagen werden vermieden, man versucht sich mit halbseidenen Vorgaben zu vertrösten. Den Fußballern geht es sicherlich nicht schlechter als anderen Mannschaftssportlern. Von Optimalbedingungen ist jedoch keine Spur. So wird meine Mannschaft und ich sich bis auf Weiteres auf eintönige Pass- und Schussübungen beschränken müssen. Unser Torhüter wird bis auf Weiteres in regelmäßigen Abständen zum Desinfektionsmittel greifen müssen, um seine Handschuhe virenfrei zu halten. Die größte Herausforderung wird sein, den Spaß nicht zu verlieren. Wenn nicht schalten wir einfach den Fernseher ein. Dort sehen wir eine Parallelwelt, die uns eine bessere Zukunft verspricht. Es ist ein und dieselbe Sport, doch es sind zwei völlig unterschiedliche Welten.
Autor: Pascal Edenhart
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Stars-Cov2 / Covid19 Krise entstanden.