Die Wunschvorstellung ‚Praktikum‘
Zuerst wird man sich klar, welchen Weg man einschlagen möchte, danach gibt man sich viel Mühe bei der Stellensuche und beim Verfassen der Bewerbung, um letztendlich seine Traumstelle zu bekommen – ein idealisierter Idealverlauf der Stellensuche, der den Ausbruch einer globalen Pandemie nicht berücksichtigt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie frustrierend es ist Assessment-Center zu durchlaufen, Vorstellungsgespräche zu meistern, seine gewünschte Praktikumstelle zu bekommen, um dann nochmal von vorne zu beginnen, weil die Stelle aufgrund der globalen Pandemie doch nicht besetzt wird. Fast alle Studierenden stehen früher oder später vor der Herausforderung ihre praktischen Erfahrungen in Form eines Pflichtpraktikums zu erweitern. Aber hat man während einer globalen Pandemie überhaupt eine Chance ein Praktikum im gewünschten Bereich zu finden? Was tun, wenn Plan A doch nicht klappt und wie können wir von den Herausforderungen profitieren?
Auswirkungen der Krise auf den Stellenmarkt
Von Corona bedingten Stellenkürzungen und Mitarbeiterentlassungen sind an erster Stelle Saisonarbeiter, Zeitarbeitskräfte sowie externe Mitarbeiter betroffen. Leider schließt dies auch die zeitlich befristeten Stellen für Pflichtpraktikanten mit ein.
Während das Stellenangebot in Deutschland im Sommer 2019 für Praktikanten noch bei über 42.000 Stellen lag, sehen sich Studierende in 2020 damit konfrontiert, dass sich das Stellenangebot auf fast 22.500 Stellen halbierte. Unter den Unternehmen, die trotz Krise noch die meisten Praktika anbieten, befinden sich unter anderem Autobauer sowie Zulieferer der Autoindustrie. Betrachtet man jedoch die aktuellen Entwicklungen in der Autoindustrie, schwindet auch die Hoffnung bei einem dieser Unternehmen eine Stelle zu finden. Aufgrund des Wandels zur E-Mobilität und dem starken Produktionsrückgang befand sich die Industrie bereits vor der Corona-Krise in einem starken Umbruch, der die Beschäftigungsstruktur verändert. Kurzarbeit ist auf lange Sicht keine geeignete Maßnahme, um diesem Wandel in Kombination mit den Corona bedingten Umsatzeinbrüchen entgegen zu wirken. Um der Belegschaft während der globalen Pandemie dennoch entgegen zu kommen und trotzdem größere Verluste zu vermeiden, einigen sich immer mehr Unternehmen auf eine Arbeitsreduktion im Austausch gegen den Verzicht betriebsbedingter Kündigung und Werksschließungen. Unter den Unternehmen befinden sich neben Autobauern wie Daimler auch viele Zulieferer wie Bosch und ZF Friedrichshafen. Weitere Firmen wie Continental AG ziehen diese Arbeitsreduktion ebenfalls in Erwägung.
Wie also finden Student*Innen während der Krise trotzdem ein Praktikum? Nachdem mein Plan A nicht geklappt hat, hatte ich selbst dennoch das Glück eine Stelle in der Autoindustrie zu finden und das sogar in meinem gewünschten Bereich. Das gelang meiner Meinung nach nicht durch das Versenden von Bewerbungen en masse. Stattdessen konzentrierte ich mich auf Stellen in meinem Interessensbereich und gab mir viel Mühe meine Bewerbung auf die jeweilige Stelle und das Unternehmen anzupassen und gleichzeitig meine Persönlichkeit authentisch widerzuspiegeln. Online Guides reichen von offensichtlichen Tipps wie ‚trotzdem bewerben‘ bis hin zum desillusionierenden Ratschlag, eine Stelle anzunehmen, auch wenn Sie nicht den eigenen Wünschen entspricht. Das betrifft in Studiengängen wie International Relations and Management nicht nur die gewünschte Branche, sondern auch das Land, in dem man das Praktikum absolvieren möchte. In einigen Studiengängen muss das Praxissemester im Normalfall im Ausland stattfinden. Da dies derzeit in einigen Fällen nicht möglich ist, greifen nun insofern Ausnahmeregelungen, dass das Praktikum inlands und/oder im Home-Office absolviert werden kann.
Die derzeitige Situation stellt jedoch nicht nur Studierende auf der Suche nach einem Praktikum, sondern auch die Personalverantwortlichen auf Arbeitgeberseite vor Herausforderungen. Personalwirtschaftlich befürchtete man zunächst, dass sich bei Mitarbeitern im Home-Office der Einsatz verringert und sich Fehlzeiten erhöhen. Diese Befürchtungen bewahrheiteten sich am Ende nicht. Fehlzeiten blieben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stabil und 56% der Mitarbeitenden im Home-Office schätzen ihre Produktivität sogar höher ein als im Büro. Davon profitieren vermutlich vor allem die Unternehmen, deren Mitarbeiter bereits vor der Krise intrinsisch motiviert waren, denn in diesem Fall kann die Motivation der Mitarbeiter auch ohne externe Verhaltensregulation aufrecht erhalten werden. Dennoch sind auch Abteilungen wie die Personalabteilung von Arbeitszeit- und Stellenreduktion betroffen. Mit weniger Ressourcen müssen sie also dieselbe Anzahl an Bewerbern auf weniger Stellen verwalten.
Digitalisierung als Krisenhelfer
Glückt die Stellen- bzw. Bewerbersuche am Ende doch sehen sich Unternehmen, Zuständige sowie Student*Innen mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. Wie gelingt das Onboarding ohne die Unternehmenskultur persönlich zu erfahren und wie läuft das remote Praktikum eigentlich ab im Home-Office? Digitalisierung wurde vor der globalen Pandemie von manchen Unternehmen mehr und von manchen weniger als Chance genutzt. Erstere profitieren nun davon, dank zahlreicher Tools, wie Employee Self Service, Skype, Microsoft Teams, Microsoft Office 365, Zoom oder simplen Google Share Dokumenten. Diese ermöglichen nicht nur die fehlende persönliche Kommunikation ausreichend zu kompensieren, sondern auch trotz Distanz gemeinsam an Dateien zu arbeiten. Natürlich kann nicht von jedem Studierendem erwartet werden, in diesen Tools bereits ein Profi zu sein, jedoch muss nicht bei jeder Frage der Vorgesetzte oder Zuständige kontaktiert werden. Hersteller, zahlreiche Content-Creator sowie Arbeitgeber und ihre Wissensdatenbanken selbst bieten Anleitungen zu zahlreichen technologischen Fragestellungen. Diese Herausforderungen erlaubt es uns Studierenden unsere Selbstwirksamkeit und IT-Kompetenz zu erhöhen und Arbeitgebern zukünftige Arbeitnehmer zu identifizieren, die selbstständig, dynamisch und lösungsorientiert arbeiten.
Die Realität
Trotz all dieser positiven Aspekte lässt eine realistische Betrachtung der Sachlage erahnen, dass es derzeit nicht jedem Studierenden möglich sein wird, ein Praktikum zu absolvieren. In gewissen Bereichen, wie der Reise und Tourismusbranche, aber auch im IT-Bereich, besteht laut einer Studie von Glassdoor so gut wie keine Chance einen Praktikumsplatz zu finden. Obwohl sich diese Studie auf den U.S. Markt bezieht, kann man vermutlich in Deutschland ähnliche Ergebnisse erwarten. Erhält man diese Chance dennoch, gibt es weitere Herausforderungen für Studierende. Während der ersten Praxiserfahrung im Home-Office genauso produktiv arbeiten zu können wie im Büro ist oft nicht möglich. Von fehlender ergonomischer Büroausstattung bis hin zu einer zu schwachen Internetleistung stößt man dabei auf Probleme, die vor der Krise noch gar nicht relevant waren. Strategien wie Zeitmanagement und Selbststruktur werden zwar bereits im theoretischen Studium gefordert, jedoch hat ein Mangel davon im praktischen Semester nicht nur für den Studierenden selbst, sondern auch für seine KollegInnen Konsequenzen.Krisen mussten jedoch auch Generationen vor uns meistern. Am Ende bleibt Studierenden nichts anderes übrig als weiterhin mit Fleiß und Engagement ihre Ziele zu verfolgen und bei einem missglückten Plan A, entweder Plan B zu verfolgen oder so flexibel zu sein, sich Plan C aus dem Ärmel zu schütteln. BAföG Empfänger müssen sich in immer mehr Bundesländern immerhin keine Sorgen hinsichtlich der Höchstbezugsdauer ihrer BAföG Leistungen Sorgen machen, denn das laufende Sommersemester wird wegen der Corona-Krise nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet. Alternativen zur Zeitüberbrückung, wenn es mit dem Praktikum nicht sofort klappt bieten zahlreiche Online-Angebote, wie zum Beispiel die Kursangebote der virtuellen bayerischen Hochschule.
Autorin: Andrea Maurer
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2 / Covid19 Krise entstanden