Teil 1 meiner “Zeitreise” nach Seoul: Wohnen.
Untergebracht war ich im Wohnheim der Soongsil Uni, direkt auf dem Campus. Angemeldet hatte ich mich eigentlich für die off-campus apartments eine Straße weiter – wie die meisten anderen Austauschstudierenden – landete dann aber in einem typischen koreanischen Doppelzimmer im vierten Stock des Wohnheims (wie tatsächlich ausgesucht wird, wer in die Apartments kommt, weiß bis heute so niemand genau). Das ca. 16qm große Zimmer mit zwei Betten, zwei Schreibtischen, zwei Schränken und einem eigenen Bad teilte ich mir mit Ben, einem deutschen Studenten aus Dresden. Erstaunlicher Weise gewöhnt man sich sehr schnell an die Tatsache, dass man sich sein kleines Zimmer mit jemandem teilt, da man sehr schnell lernt, mit einander umzugehen und aufeinander zu achten, und trotz allem seine Privatsphäre und die des anderen aufrechtzuerhalten.
Der einzige große Nachteil am Wohnheim: keine Küche. Nicht nur gab es auf den Zimmern keine Küchenzeile, sondern die knapp 1.500 Bewohner des Wohnheims hatten auch keinen Zugang zu Gemeinschaftsküchen – die gab es nämlich nicht. Heißt also: Mittag- und Abendessen außer Haus im Restaurant, und Frühstück je nach Bedarf im Convenience Store oder auch einfach Müsli und Milch im Zimmer – einen Kühlschrank hatten wir zum Glück im Zimmer (die Apartments um die Ecke hatten zwar eine Küche , aber oft gekocht wurde dort auch nicht – koreanisches Essen hat hier einfach die Oberhand).
Gleich zu Beginn des Semesters werden uns die Regeln des Wohnheims vertraut gemacht: Absolute Geschlechtertrennung, kein Alkohol oder Rauchen auf den Zimmern und Ausgangssperre zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens. Bei jedem Regelbruch werden Minuspunkte auf das persönliche Punktekonto geschrieben. Jeder fängt mit null Punkten an, bei 20 Minuspunkten darf man im nächsten Semester nicht mehr in das Wohnheim ziehen. Hierzu muss gesagt werden, dass es heiß begehrt ist im Wohnheim zu wohnen: nur Studierende mit top Noten kommen auf die Liste; die Miete bei ca. 250€ monatlich ist ungefähr halb so teuer, wie eine Einzimmerwohnung außerhalb, und dann wohnt man auch noch direkt auf dem Campus – man spart sich also eine lange Ubahnfahrt zur Vorlesung.
Verschiedene “Delikte” geben verschieden große Punktabzüge: 2 Punkte fürs Zuspätkommen nach Mitternacht, 4 Punkte bei Unordnung und Schmutz während einer Zimmerkontrolle, und 18 Punkte bei Rauchen auf den Zimmern. Interessanter Weise kann man Punkte wieder abgebucht bekommen, wenn man als verloren gemeldete Gegenstände findet und abgibt oder sogar einen Regelbruch einer anderen Person verpetzt. #snitch
Unfairer Weise gelten diese ganzen Regeln aber nur für koreanische Bewohner. Als Austauschstudierende hatten wir nicht mal ein Punktekonto. Ein kleines Beispiel: Ich kam einmal nach dem Abendessen kurz nach Mitternacht zufälligerweise gleichzeitig mit einem fremden Koreaner ins Wohnheim zurück. Da die Schiebetür nach Mitternacht nicht mehr automatisch aufgeht, sondern vom Wächter von innen aufgesperrt werden muss, wurden wir gemeinsam reingelassen. Am Eingang steht dann ein kleiner Tisch, auf dem eine überdimensionale Uhr die Verspätung anzeigt. Der Koreaner musste sich gleich in die Liste eintragen lassen und sich mit seinem Studierendenausweis ausweisen, während man mich einfach durchgewinkt hat. Selbst als ich dem Wächter meinen Ausweis hingestreckt habe, schüttelte er nur den Kopf und sagte auf koreanisch, ich sei doch ein Austauschstudent und solle einfach weitergehen. In solchen Momenten fühlt man sich dann schon etwas mies.
Fun fact: Nur zwei Mal im Semester entfällt die Ausgangssperre eine Woche lang, nämlich in den zwei Prüfungsphasen, einmal in der Mitte und einmal am Ende des Semesters. Dies soll garantieren, dass man wirklich zu jeder Tageszeit zum Lernen in die Bib kann. Ist das nicht super?
Das alles soll jetzt aber nicht abschrecken – kann ja sein, dass jemand von euch auch mal nach Seoul möchte. Ich kann es nur wärmstens empfehlen! Alles in allem waren es vier sehr entspannte Monate im guten alten Soongsil Dorm. Danke, 436B.
2 thoughts on “Wohnheimromantik”