Venedig – damit verbinden viele: Brücken, schöne Gassen, kleine Kanäle. Karneval, kunstvoll verzierte Masken, aber leider auch: Massentourismus.
Zumindest in den vergangenen Jahren. Denn durch den Ausbruch des Corona Virus hat sich für die schöne Stadt im Nordosten Italiens einiges geändert. Bereits vor dem Lockdown Italiens im Februar wurde der berühmte Karneval vom Präsidenten der Region Venetien Luca Zaia abgesagt, aus Sorge vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus.
Das bedeutet: keine Menschenmassen, die sich durch kleine Gassen drängen und für Fotos auf der Rialto-Brücke posieren, keine riesigen Kreuzfahrtschiffe, die das Stadtpanorama stören und keine Gondeln, die eine nach der anderen durch den Canale Grande gesteuert werden.
Das bedeutet aber auch: einen Einbruch der Tourismusbranche, und zwar nicht gerade unerheblich. Die Stadt lebt wortwörtlich vom Tourismus, auf etwa 50.000 Einwohner kamen letztes Jahr rund 13 Millionen Übernachtungsgäste und mehr als jeder Zweite ist im Tourismussektor tätig. Nachdem erst im November 2019 ein Hochwasser große Schäden anrichtete, blieben schon zu dieser Zeit Touristen der Stadt fern. Jetzt, nach dem Ausbruch des Virus, prognostiziert die italienische Regierung gravierende wirtschaftliche Einbußen: Rund zwei Milliarden Euro gehen Venedig schätzungsweise aufgrund der Coronakrise verloren.
Die Stadt, die einst überrannt wurde, bittet nun um Urlauber.
Seit dem 3. Juni sind in Italien Auslandsreisen wieder erlaubt, seit dem 15. Juni sind die Grenzen für Einreisende wieder geöffnet. Auf Twitter ruft der Bürgermeister Venedigs, Luigi Brugnaro, bereits am 28. April auf, wieder in die schöne Stadt zu reisen:
„Jedem, der sich in den kommenden Monaten bewegen kann, sage ich: Kommt nach Venedig“
Diesem Aufruf bin ich am 20. Juni brav gefolgt, um Venedigs Wirtschaft zu retten, versteht sich. Nachdem ich mein Erasmus Semester größtenteils in meinem schönen Dorf in Bayern verbracht habe und meine WG statt aus Studenten, aus meinem Papa, den Großeltern und dem Hund bestand, ging es für mich am 16. Juni zurück nach Padua, in den Norden Italiens. Ja zurück ist hier richtig, da ich die bezaubernde Stadt für 5 Tage bereits im März erblicken durfte, jedoch auch nicht länger, da genau an meinem Ankunftstag der Lockdown ausgerufen wurde. Aber hier bin ich nun wieder, 40 km entfernt von Venedig. Da es wohl keinen besseren Zeitpunkt gibt als diesen, die sonst von Touristen überschwemmte Stadt zu besuchen, habe ich die 8€ Fahrtkosten (Hin- und Rückfahrt) für die Zugfahrt auf mich genommen und bin nach Venedig gereist.
Venedig für mich ganz allein?
Dafür hätte ich wohl vor dem 15. Juni ankommen müssen, doch auch jetzt kurz nach der Grenzöffnung erlebt man ein ganz anderes Venedig. Zwar trifft man auf der „Hauptstraße“ und an den Touristen Hotspots wie der Rialto-Brücke auf den einen oder anderen Touristen und ein paar Gondeln sind unterwegs, jedoch ist es nicht mit dem Touristenandrang in einer normalen Hauptsaison vergleichbar. Für den Besuch des Campanile di San Marco (Markusturm) mussten wir 5 Minuten anstehen, aber auch nur, da die Zahl der Personen für den Aufzug auf 4 begrenzt war. So war auch der sonst überfüllte Markusplatz vergleichbar leer:
Coronavirus und Tourismus?
Maskenpflicht und Desinfektionsmittel hier, Abstandsregel da. An Flughäfen, Bahnhöfen, in Museen und an vielen anderen öffentlichen Orten müssen Reisende nun Einschränkungen aufgrund des Virus in Kauf nehmen und damit rechnen, dass Fieber gemessen wird. So mussten wir auch vor unserem Aufstieg die Temperatur checken lassen, Hände desinfizieren und nach oben ging es dann mit Maske. Der Aufzug wurde nach Gebrauch kurz gelüftet und der Rundgang war auf One-way beschränkt. Generell gelten auch überall Abstands- und Hygienevorschriften, ob diese Regeln eingehalten werden ist jedoch die andere Sache.
Auch der Strand ist wieder geöffnet, im September soll sogar das internationale Filmfest wie geplant stattfinden. Doch der Strandbesuch bringt trotzdem Einschränkungen mit sich: Sonnenschirme benötigen einen Platz von zehn Quadratmetern um sich herum, Sonnenliegen ohne Sonnenschirm müssen 1,5 Meter voneinander entfernt stehen und werden nach jedem Besucher desinfiziert.
Wieder zurück zum Massentourismus?
Um gegen das ursprüngliche Problem , die Touristenmassen, vorzugehen, wollte Venedig eigentlich ab 1. Juli 2020 eine „Eintrittssteuer“ verlangen. Doch dann kam Covid-19 und die sehr umstrittene Steuer wurde auf nächstes Jahr verschoben – vorerst zumindest. Umweltwissenschaftler wie Giovanni Cecconi erhoffen sich jedoch, dass der Tourismus nicht wieder zu seiner alten Form zurückkehrt:
„Wir erleben gerade einen Tourismus der Nähe, so wie es vor 50 Jahren war“
Giovanni Cecconi
Ohne die Kreuzfahrtschiffe und den übermäßigen Motorverkehr seien Fische und Vögel zurückgekehrt und die Wasserqualität hätte sich gebessert. Jetzt muss die Stadt eine Balance finden zwischen genug Touristen, um die Existenz der vom Tourismus abhängigen Bewohner zu bewahren und nicht zu vielen Touristen, damit Venedig nicht erneut am Massentourismus erstickt.
Doch ist die Stadt gerade in diesen Zeiten bereit in eine neue, nachhaltigere Zukunft zu starten?
Autorin: Jasmin Vief
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2 / Covid19 Krise entstanden.