Abbildung 1: Einsamkeit in der Covid-19 Pandemie; Quelle:  https://www.needpix.com/photo/161192/lonely-woman-human-person-alone-leave-thoughtfully-sit-outlook

Abstandhalten, Kontaktvermeidung und „Social Distancing“ sind die Schlagworte, wenn es um Handlungsempfehlungen und Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie geht.  Den Infektionszahlen zufolge scheinen diese Grundregeln ihre Wirkung zu zeigen. Dennoch darf die Schattenseite von „Social Distancing“ nicht vergessen werden.

Abbildung 1: Einsamkeit in der Covid-19 Pandemie; Quelle:  https://www.needpix.com/photo/161192/lonely-woman-human-person-alone-leave-thoughtfully-sit-outlook

Durch die Maßnahmen scheinen insbesondere während der ersten Wochen der Covid-19 Maßnahmen einige Menschen in Einsamkeit verfallen zu sein. Daraus können weitreichende Folgen entstehen, die nachfolgend näher beleuchtet werden. Auch ich erlebte teilweise Einsamkeit durch Covid-19. Während meines Auslandssemesters hatte ich in einem fremden Land gerade erste Freundschaften geknüpft, da wurde plötzlich jeglicher persönliche Kontakt durch einen Lockdown unmöglich. Im Gegensatz zu den Erwartungen viele neue Kontakte zu knüpfen, verbrachte ich anfänglich kaum Zeit außerhalb meiner Wohnung, sodass der Einkauf im Supermarkt und der Smalltalk mit dem Verkäufer zu meinem Wochenhighlight wurden.

Was ist Einsamkeit?

Im Allgemeinen spricht man von Einsamkeit, wenn eine negative Soll-Ist-Divergenz zwischen der erwarteten und tatsächlichen Anzahl und Qualität an sozialen Kontakten besteht. Hat eine Person beispielsweise die Erwartung, fünfmal pro Woche seine Arbeitskollegen persönlich zu treffen und sich einmal pro Woche mit Freunden zu verabreden, so wurde diese nicht mehr erfüllt, als das Büro durch Home-Office und die Verabredung mit Freunden durch einen Spaziergang alleine ersetzt wurde. Als Resultat könnte diese Person durch die anfänglich noch strikteren Covid-19 Maßnahmen Einsamkeit erleben oder erlebt haben. Dennoch ist Alleinsein nicht mit Einsamkeit gleichzusetzen, da das bloße Fehlen von sozialen Kontakten nicht automatisch zu Einsamkeit führen muss. „Social Distancing“ führt somit nicht zwangsläufig zu Einsamkeit, kann diese jedoch begünstigen.

Wer ist betroffen?

Grundsätzlich kann jede*r Einsamkeit durch Covid-19 Maßnahmen erfahren. Dennoch gibt es – wie auch für Covid-19 selbst – Gruppen, die stärker oder schwächer betroffen sind. Entgegen der Erwartung, dass vor allem ältere Menschen durch die Kontaktbeschränkungen einsamer werden, zeigte sich in einer ersten Studie der Ruhr-Universität Bochum, die den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 12.04.2020  untersuchte, dass in Deutschland jüngere Personen im Durchschnitt einsamer waren als ältere Menschen. Die höchste durchschnittliche Einsamkeit wurde dabei für Personen zwischen 18 und 30 Jahren festgestellt, wohingegen die Einsamkeit bei Menschen über 60 Jahren im Durchschnitt am geringsten war. Das könnte dadurch erklärbar sein, dass ältere Menschen bereits vor den Covid-19 Maßnahmen einen gewissen Grad an Alleinsein kannten und die Änderungen dadurch nicht als so einschneidend erlebt wurden. Junge Erwachsene hingegen im Alter zwischen 18 und 30 standen vor der Herausforderung, ihr gesamtes Alltagsleben umzustrukturieren. Studiert oder gearbeitet wurde seit März/April 2020 für die Mehrheit von zuhause und auch sonstige Freizeitaktivitäten fielen oftmals weg. Zuvor dürften die meisten Studierenden beispielsweise allein durch den Besuch verschiedener Vorlesungen und der Mensa täglich eine mindestens zweistellige Anzahl an Sozialkontakten gehabt haben, die am Anfang der Pandemie in Deutschland im März/April 2020 auf eine Handvoll reduziert wurde.

Betrachtet man den gesamten Untersuchungszeitraum, zeigt sich, dass die Einsamkeit älterer Personen im Unterschied zu jüngeren oder mittelalten im Laufe der Zeit gleichblieb oder zunahm. Die Einsamkeit bei den anderen Generationen hingegen nahm im Zeitverlauf ab. Eine mögliche Erklärung könnte die bessere digitale Vernetzung unter jungen Erwachsenen und mittelalten Menschen, im Vergleich zu Personen über 60 Jahren sein. Vermutlich hat der jüngere Teil der Gesellschaft schneller Wege gefunden, die anfängliche Einsamkeit durch die Nutzung von sozialen Medien wie Zoom, Skype oder WhatsApp zu kompensieren. Im Gesamtdurchschnitt wurde ein Anstieg der Einsamkeit während der ersten beiden Wochen und eine Abnahme der Einsamkeit während der zwei Folgewochen gefunden.

Was macht Einsamkeit mit uns?

Doch es bleibt die Frage, welche Auswirkungen Einsamkeit auf Betroffene und die Gesellschaft hat. Gemäß einer von McKinsey durchgeführten Analyse war die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung der Europäischen Union inklusive Großbritannien im April 2020 im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich geringer. Dabei hatte eine reduzierte Zufriedenheit mit sozialen Beziehungen, die womöglich in Zusammenhang mit den kontakteinschränkenden Covid-19 Maßnahmen steht, den größten Anteil an der minimierten Lebenszufriedenheit. Gefolgt wurde dieser Wert von einer zurückgegangenen gesundheitlichen Konstitution (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Vergleich der Lebenszufriedenheit von 2019 und April 2020 von EU-27 und UK; Quelle: McKinsey (2020)

Da Einsamkeit, die aus den Covid-19 Maßnahmen entstehen kann, sowohl psychische als auch körperliche Auswirkungen hat, könnten die Werte zur gesundheitlichen Konstitution noch weiter abnehmen. Beispielsweise begünstigt chronische Einsamkeit Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, zeigt also körperliche Folgen, oder kann unter anderem Depressionen und damit psychische Folgen hervorrufen. Chronische Einsamkeit wird sogar als ähnlich hoher Risikofaktor für vorzeitige Sterblichkeit eingestuft wie Adipositas oder Drogenmissbrauch. Dr.med. Ulrike Schmidt, Stellvertretende Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Bonn, warnt zudem, dass zeitversetzt zur ersten Covid-19 Welle eine Welle psychischer Erkrankungen aufgrund der erlebten Einsamkeit während der Covid-19 Pandemie zu erwarten ist.

Dadurch steht nicht nur der Einzelne vor der Herausforderung, wie man sich am besten vor Einsamkeit und ihren Folgen schützt, sondern auch die Gesellschaft ist in der Verantwortung, dem Entstehen von Einsamkeit – unter Berücksichtigung der Covid-19 Maßnahmen – entgegenzuwirken. Zum einen ergibt sich dies meiner Ansicht nach aus ethischer Sicht, da man innerhalb einer funktionierenden Gesellschaft auf das Wohlbefinden des Nächsten achten sollte. Zum anderen sollte bedacht werden, dass durch die physischen und psychischen Folgen von Einsamkeit nicht nur Leidensdruck für alle Betroffenen besteht, sondern ebenfalls hohe Kosten für das Gesundheitssystem entstehen können, die von der Gesamtgesellschaft zu tragen sind, wenn die Ursache nicht präventiv eingedämmt wird.

Was können wir machen?

Daher steht jede*r Einzelne vor der Herausforderung seine eigene und die Einsamkeit der Mitmenschen zu reduzieren oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Aus individueller Sicht kann eine gute Strukturierung des eigenen Tagesablaufs helfen, nicht den Antrieb zu verlieren und einsam zu werden. Auch virtuelle Treffen oder Telefonate können, wenn sie auch physische treffen nicht gänzlich ersetzen, helfen Einsamkeit vorzubeugen. Darüber hinaus kann die Zeit alleine auch genutzt werden, um neue Hobbys zu entdecken oder alte wieder aufleben zu lassen. Wie wäre es zum Beispiel, endlich mal wieder in Ruhe zu puzzeln, ein gutes Buch zu lesen oder eine Radtour in der Natur zu unternehmen? 

Doch auch der Kontakt zu unserer Familie und unseren Freunden muss nicht zwangsläufig unter Covid-19 Maßnahmen leiden. Wäre es nicht mal wieder an der Zeit, ausführlich mit deinen Großeltern zu telefonieren oder dich bei deinen Freunden, die sich mit der aktuellen Situation vielleicht ähnlich fühlen wie du selbst, nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen oder einen digitalen Spieleabend zu veranstalten? Ich jedenfalls habe mich sehr gefreut, als sich Freunde meiner ausländischen Universität, obwohl sie mich erst seit einem Monat kannten,  meldeten und sich darum sorgten, ob es mir gutgeht oder Professor*innen sich in der Online-Vorlesung nach dem Wohlbefinden ihrer Studierenden erkundigten. Schon solche Kleinigkeiten können meiner Erfahrung nach helfen, anfängliche Einsamkeit zu verringern.

Zwar sind persönliche Treffen aufgrund der gelockerten Covid-19 Maßnahmen möglich und sicher hilfreich dabei, Einsamkeit und deren schwerwiegenden Folgen entgegenzuwirken. In Anbetracht der vermutlich bevorstehenden zweiten Covid-19 Welle, die höchstwahrscheinlich mit einer erneuten Verschärfung der Covid-19 Maßnahmen einhergehen wird, darf das Thema Einsamkeit und mögliche Gegenmaßnahmen jedoch keinesfalls von der Diskussionsfläche verschwinden.  

Autorin: Viktoria Achhammer

*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Kurses Krisenmanagement in der globalen Sars-Cov2 / Covid19 Krise entstanden

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