Ich bin derzeit Praktikant im Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lusaka, Sambia. Von September bis Februar werde ich in Lusaka sein und somit im Gegensatz zu vielen Kommilitonen mein Praktikum nicht aufsplitten. Lasst mich euch kurz meinen „Arbeitgeber“ vorstellen.
Was macht die Stiftung?
In Sambia ist die Haupttätigkeit der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit im weiteren Sinne. Es geht also nicht darum technische Unterstützung zu bieten, beispielsweise in der Energieversorgung oder im Wassermanagement, sondern darum – basierend auf den Werten der FES – zur Formung einer mündigen, demokratischen Gesellschaft in Sambia beizutragen. Dabei stehen vor allem sozial demokratische Werte im Fokus. So werden beispielsweise durch Workshops mit und für Gewerkschaften Arbeiterrechte betont. Durch viele Konferenzen soll ein Bewusstsein seitens der Politik für soziale Sicherungen wie Arbeitslosenschutz, Mutterschutz, spezielle Rechte für Minderheiten und Bildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die FES hat also eine klare Idee einer modernen Gesellschaft, welche sie versucht in die Welt zu tragen.
Was ist der Unterschied zu einer Botschaft/Konsulat etc.?
Die FES ist keine Bundesbehörde. Zwar wird die Stiftung zu einem großen Teil aus Steuergeldern finanziert, die Mitarbeiter sind aber zum Beispiel keine Beamten. Außerdem ist die FES in keiner Weise der Regierung untergeordnet, sie kann also ihr Programm völlig selbstständig festlegen ohne auf Befindlichkeiten der deutschen Politik zu achten. Die FES hat auch keine diplomatische Funktion, sie vertritt niemandes Interessen, außer jene die sie sich selbst gegeben hat.
Hat das was mit einer Partei zu tun?
Ja und Nein. Die FES ist SPD nah und vertritt ja auch sehr ähnliche Werte. Ich selbst bin aber zum Beispiel kein SPD Mitglied, was natürlich kein Problem war. Generell hat die Stiftung auch nichts mit der Tagespolitik in Deutschland zu tun. Natürlich überschneiden sich manche Themen oft, wie beispielsweise die Stärkung der Rechte von Minderheiten wie Homosexuellen, Migranten und Arbeitslosen, das liegt aber eher daran, dass diese Themen nun mal von globaler Bedeutung sind, und daher auch im Fokus der deutschen Politik stehen.
Direkte Einflussnahme seitens der SPD gibt es allerdings nicht.
Mein persönlicher Eindruck als Stipendiat der Hanns Seidel Stiftung (CSU nah) ist sowieso, dass die Unterschiede zwischen Parteien und den jeweiligen Stiftungen in Deutschland viel größer gemacht werden, als es dann on the ground wirklich der Fall ist. So waren auch meine Bedenken total unbegründet, dass mich eine Verbindung zu beiden Stiftungen gleichzeitig in eine schwierige Situation bringen könnte.
Arbeiten dort Einheimische?
Ja, in erster Linie sogar. Zurzeit sind nur der Country Director und die beiden Praktikanten deutsch. Also drei von 10 Mitarbeitern. Bis vor ein paar Wochen gab es auch noch zwei Sambische Praktikanten, welche aber leider im Gegensatz zu uns Deutschen nicht für ihr Praktikum bezahlt wurden. Gerechtfertigt wird das damit, dass den Praktikas ja zwei unterschiedliche Jobmärkte zu Grunde liegen.
Ansonsten sind aber die Projektmanager und die Administration durch die Bank mit Einheimischen besetzt, was erstens der Stimmung im Büro sehr gut tut, zweitens die Arbeit effizienter macht (die einheimischen Kollegen verfügen natürlich über ein viel größeres Netzwerk in Sambia), und gleichzeitig macht es die Arbeit der Stiftung auch authentischer.
Hat mich IRM darauf vorbereitet?
Diese Frage kann ich nicht mit ja oder nein beantworten. Manchmal bin ich sehr dankbar darüber so vielseitig aufgestellt zu sein, weil auch die Tätigkeit hier sehr vielseitig ist. Wirklich profitiere ich von der Fähigkeit kritisch zu denken, indem ich komplexe Diskussionen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann. Das ist sicherlich gerade in der Entwicklungszusammenarbeit ein großer Vorteil, den die Entwicklung von Staaten hat eben nicht nur eine politische oder ökonomische oder betriebswirtschaftliche Komponente, sondern ist ein komplexes Geflecht aus verschiedenen Faktoren. Natürlich bin ich hier in einem politischen Kontext unterwegs, und die Vorlesungen von Prof. Bresinsky machen sich bei mir positiv bemerkbar, auch das hätte ich im dieser Form nicht gedacht.
Ein anderer Punkt, der mir sehr hilft, ist die IRM bedingte, und zu Recht auch häufig kritisierte, hohe Motivation sich nicht mit einer guten Lösung zufrieden zu geben. Dies kann sicher oft einen Unterschied in der Außenwahrnehmung ausmachen, in erster Linie merke ich aber wie ich mit mir selbst zufriedener werde, je mehr Aufwand ich auch in Kleinigkeiten stecke.
Auf der anderen Seite werden auch Schwachstellen des IRM Studienganges deutlich. In manchen Dingen, vor allem der akademischen Komponente, wenn es etwa darum geht Feldforschungen vorzubereiten usw. muss ich mich aufwendiger in das Thema, besser gesagt die Praktische Umsetzung, reinwühlen. Wenn es darum geht zum Beispiel mit Statistik zu arbeiten, sei es nur auf Excel, muss ich leider oft Google fragen.
Generell bestätigt mich dieses Praktikum aber in meiner Entscheidung für IRM. Auch im Gespräch mit Studierenden anderer Studiengänge merke ich, dass es wohl keinen perfekten Studiengang gibt, und das ich als IRMler oft großes Interesse an meinem Studiengang erfahre. Auch wird es, so ist zumindest mein persönlicher Eindruck, oft unterschätzt wie sehr eine breite Aufstellung der Vorlesungen hilft sich leicht für verschiedenste Themen zu interessieren. Denn zumindest ein grundlegendes Verständnis zu den meisten Themen befähigt einen ja schon, kritische Fragen zu stellen. Angenehmerweise wird damit auch die Überwindung kleiner, mich in verschiedene Aufgaben reinzuknien.
Wer entscheidet warum welche Projekte gemacht werden?
Einerseits gibt es natürlich eine Strategie seitens des Headquarters in Berlin. Andererseits ist die Umsetzung dann den einzelnen Büros nahezu komplett frei überlassen.
Wer ist in Deutschland übergeordnet?
Das Afrika Department der FES, und darüber das Headquarter der FES.
Gibt es Erfolge? Wie werden diese gemessen?
Auf dem Papier geht es darum die Jahrespläne entlang der strategischen Ausrichtung der FES durchzuführen. Man könnte also einfach sagen, wenn ein Workshop mit Jugendlichen zum Thema social democracy durchgeführt wurde, ist das ein Erfolg.
Langfristig ist es aber natürlich das Ziel der Stiftung, ihre Werte in der sambischen Politik wiederzufinden. Beispielsweise, wenn Gesetze zur Stärkung des Sozialstaates oder der Gewaltenteilung durchgesetzt werden.
Ist die Arbeit sinnvoll für das Gastland?
Meiner Meinung zur Sinnhaftigkeit von Entwicklungszusammenarbeit, werde ich eventuell noch einen eigenen Blogeintrag widmen. Deswegen nur kurz:
Selbstverständlich ist es umstritten eine Ideologie aus Deutschland in die Welt zu tragen. Im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen profitiert die FES aber nicht finanziell davon.
Ich für meinen Teil kann sagen, dass die Arbeit der Stiftung sehr ehrlich ist, und Gelder nicht nach dem Prinzip verteilt werden, dass möglichst viel davon wieder nach Deutschland zurückfließt.
Sambia profitiert von der Arbeit der Stiftung in der Form, dass die öffentliche Diskussion um die Komponente der Werte der Stiftung erweitert wird.
Was wird Praktikanten zugetraut?
Einer der Gründe mich für das Praktikum bei der FES Zambia zu bewerben war die Aussicht auf ein relativ kleines Büro. Ich hatte die Hoffnung, dass in einem kleinen Büro mehr Verantwortung auf die Praktikanten abfällt, und diese Hoffnung wurde zu einem großen Teil erfüllt. Klar mache ich auch klassische Praktikanten Arbeit wie die Bücherei zu katalogisieren, die Website updaten und Ähnliches, aber sehr regelmäßig genieße ich auch einen hohen Vertrauensvorschuss seitens unseres Direktors. So vertrete ich die FES auf Konferenzen anderer Organisationen und bin direkt in die Organisation eigener Projekte involviert. Das geht bei der Budget Planung los, und endet beim Aufstellen eines Beamers für den Referenten. In diesem Zuge hatte ich die Möglichkeit mit der Stiftung nach Südafrika zu fliegen, um dort eine Konferenz zu social protection durchzuführen.
Was ist die größte Herausforderung für Praktikanten?
Für mich ist es ungewohnt, dass es manche Wochen gibt, in welchen ich kaum hinterherkomme mit der Arbeit und ich dann aber wieder Tage habe, an welchen ich ausgiebigst Zeit habe Zeitung zu lesen, mich mit den Kollegen zu unterhalten und Blogbeiträge zu schreiben.
Inhaltlich kann ich zwei Dinge nennen: Erstens war ich einmal dafür zuständig eingereichte Paper (vergleichbar mit den Bresinskyschen Termpapern) zu lesen und dann eine Auswahl zu treffen, welche Autoren zu einer Konferenz eingeladen werden, bzw. welche eben nicht. Andererseits war ich vor ein paar Wochen im Namen unseres Direktors bei einer Konferenz der Afrikanischen Union zum Thema Kleinwaffenschmuggel und langfristigem Frieden in Afrika. Das Besondere war, dass dort auf sehr strategischer Eben verhandelt wurde, also viele Botschafter anwesend waren, Gelder an den Peace and Security Council verteilt wurden und dass alles auf Französisch, Arabisch und Englisch stattfand.
Auf einer mehr persönlichen Ebene ist es oft nicht einfach damit umzugehen, dass ich als Praktikant teilweise mehr verdiene als meine sambischen Kollegen. Deren Arbeit ist sicher wertvoller für die Stiftung, sie werden jedoch aus anderen Töpfen bezahlt, und können deswegen nicht höhergestuft werden.
Ist die Organisationskultur dem Gastland angepasst?
Die Arbeitsatmosphäre ist sehr gut! Ich empfinde eine angenehme Mischung aus Produktivität und Geselligkeit. Durch die überschaubare Größe des Büros ist es meist kein Problem, mal früher Feierabend zu machen, es herrscht aber genug gegenseitiges Vertrauen, diese Zeit dann wann anders wieder reinzuarbeiten. Ich habe allerdings noch nie in einer sambischen Organisation gearbeitet, eventuell gibt es da schon größere Unterschiede.
Was waren bisher schwierige Situationen?
In den ersten Tagen hatte ich zu viel Stress und kam nicht mit der Arbeit hinterher. Da war ich sehr dankbar, dass meine Mitpraktikanten mir viel geholfen haben, sonst wäre ich schnell frustriert gewesen. Nach ein paar Tagen hatte ich die Situation aber im Griff, und inzwischen ist es eher so, dass ich mir extra Aufgaben suche, um wirklich ausgelastet zu sein. Diesen Spagat empfinde ich oft als nicht ganz einfach, denn einerseits will ich natürlich was bewegen, fühle mich dazu auch moralisch verpflichtet, andererseits ist es manchmal schwierig dabei die Balance zu halten, und nicht durch meine Arbeit andere in unnötigen Stress zu treiben. Und natürlich ist auch manchmal sehr angenehm im Büro ein bisschen Zeit dafür zu haben, nachzudenken, einen Blogartikel zu schreiben, Kontakte nach Deutschland zu pflegen oder einfach im Internet zu surfen.
Fazit:
Ich würde mich wieder so entscheiden, und hoffe ich kann allen die gerade vor der Wahl stehen, welches Praktikum zu einem passt, bei dieser Entscheidung etwas behilflich sein.
Ich bin zufrieden mit meiner Wahl, und freue mich schon auf die nächsten beiden Semester in Regensburg.
Hallo Flo,
Gratuliere dir zu deinem Job. Ich zieh meinen Hut vor Dir.
Servus Werner! Danke für das Kompliment, es beruht auf Gegenseitigkeit.