Als ich mich für das Praktikum in Lusaka bewarb, wusste ich selbst sehr wenig über Sambia. Auch kurz bevor meiner Abreise hatte sich diese Situation nicht wirklich verändert. Die Victoria Fälle sind dort und aus meiner Zeit in Südafrika ist mir vor allem ein Video von Trevor Noah in Erinnerung geblieben, in dem er von Eigenarten in Sambia spricht. Das war es dann aber auch schon mit meinen Vorkenntnissen.
Manchmal wurde ich im Vorfeld gefragt warum gerade Sambia Ziel meines Auslandsaufenthaltes sein soll, und auch darauf hatte ich irgendwie keine konkrete Antwort. Der besondere Reiz eines Entwicklungslandes, das mir die Privilegien eines weißen Mannes aus Europa deutlich vor Augen hält, und in dem die Auswirkungen von globalen Tendenzen unmittelbar spürbar sind, hatten mich seit einigen Jahren schon gereizt. Warum aber dann Sambia und nicht Botswana, Ghana, Kamerun, Kenia oder Sri Lanka oder Perú, Brasilien, Ecuador?
Inzwischen habe ich eine große Besonderheit kennengelernt, und bin sehr happy darüber meine Entscheidung so getroffen zu haben. Das Faszinierende an Sambia, und auch etwas das dieses Land von allen anderen afrikanischen Staaten unterscheidet, wird allerdings nicht an der Oberfläche sichtbar. Dort sind es vor allem ökonomische Probleme, die den Alltag bestimmen. Fehlendes Kapital für Investitionen, Korruption, die Langzeitfolgen der Kolonialisierung, eine marode oder nicht existente Infrastruktur, und die Folgen des Klimawandels prägen die Schlagzeilen auch hier. Auch die vielen in Lusaka vertretenen internationalen Organisationen werden diese Probleme sicher in jedem ihrer Projektberichte bestätigen.
Ich gebe zu, dass es auch in meinem Fall einige Zeit, viel Glück und fremde Hilfe gebraucht hat, um die große Besonderheit Sambias wahrzunehmen.
Vor ein paar Wochen organisierte die FES das sogenannte Southern African Regional Youth Forum, einen Workshop für Jugendliche aus dem südlichen Afrika, die sich dort über Herausforderungen und Lösungsansätze für aktuelle Probleme in ihren Heimatländern austauschen konnten. Einer der Programmpunkte war ein Dinner mit dem ehemaligen Präsidenten Sambias Dr. Guy Scott. In seiner kurzen Rede erwähnte er eine sambische Besonderheit die er selbst als das bestgehütete Geheimnis der Welt bezeichnete, und die Sambia zu einem wirklich einzigartigen Land macht: Sambia ist das einzige Land mit einer friedlichen Transition von der Kolonialisierung über die Unabhängigkeit zur Post-Independence Ära. Dies resultiere zum einen aus dem selten grossen gegenseitigen Vertrauen, dass sich durch alle Bevölkerungsteile zu ziehen scheint, aber auch an einer sehr gemächlichen Entwicklung des Staates ueber mehrere Jahrzehnte.
Dabei begann die Geschichte Sambias wie die der meisten afrikanischen Länder, mit Ausnahme Äthiopiens. Das Gebiet aus dem später Sambia entstehen sollte wurde von Europäern erobert, kolonialisiert und die Bevölkerung diskriminiert. Sambia hieß damals Northern Rhodesia und das Staatsoberhaupt war die Queen. Mitte des 20. Jahrhunderts fanden die Briten keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr in diesem Stück Land nördlich des Sambezi Flusses und hinterließen ein heruntergewirtschaftetes, strukturloses Machtvakuum. 1964 war schließlich die Repulic of Zambia gegründet und Kenneth Kaunda erster Präsident. Im Unterschied zu allen anderen Staaten brach dann aber nicht schon bald das totale politische Chaos aus. Bis heute gab es in Sambia nicht ein einziges Mal einen Putsch, eine Militärregierung oder gar einen Bürgerkrieg. Auch mit der Apartheid hatte Sambia nichts zu tun. Was uns Europäern vielleicht selbstverständlich vorkommt ist höchst bemerkenswert, das zeigen die traurigen Beispiele aus den Nachbarländern. Und selbst auf anderen Kontinenten gleicht sich das Muster oft. Kolonialzeit, Unabhängigkeitskrieg, Instabilität gefolgt von Militärputschen, Diktaturen, Bürgerkriege und viele geopferte Menschenleben dauerte es bis eine Art Frieden einkehrt.
Nicht so in Sambia. Kenneth Kaunda schaffte es trotz oder gerade wegen eines One-Party-Systems die Bevölkerung entlang der mehr als 25 verschiedenen Ethnien und Sprachen zu einen und fast alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. Als die Zeichen der Zeit dann einen Wandel ermöglichten, ja auf einen Wandel drängten, gab es die nächste Besonderheit. Der Übergang der Macht von der Independence Party ist besonders in Afrika oftmals noch gar nicht (Südafrika, Namibia, Zimbabwe) oder nur gewaltsam (Mozambique, Angola, DRC) vollzogen worden. In Sambia wurde 1991 durch einen Volksentscheid das Multi-Party-System eingeführt und Frederick Chiluba als neuer Präsident gewählt. Die Machtübernahme fand dann ohne große Probleme statt, und die politische Stabilität des Landes wurde gewahrt. Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat es Sambia geschafft sich nicht selbst zu zerfleischen, was alles andere als selbstverständlich ist.
Dieses Beispiel zeigt mir mal wieder, dass es sich lohnt zu differenzieren und individuelle Fälle einzeln zu betrachten, denn anders als die wahren Schätze einer Gesellschaft liegen in erster Linie die Probleme an der Oberfläche. Freundlichkeit und Vertrauen lassen sich nicht in Statistiken messen, machen Sambia aber sehr lebenswert.
Wirklich guter Beitrag!
Hallo Florian,
diese Darstellung der politschen Verhältnisse in Sambia hat uns ganz besonders interessiert. Man erfährt über afrikanische Länder überwiegend nicht gerade ermutigende Informationen, vor allem auch, dass Entwicklungshilfe verpufft oder gar in korrupte Kanäle gelangt. Wenn die politsche Entwicklung in Sambia weiterhin so positiv verläuft, wie du sie darstellst, sollte man meinen, dass sie beispielgebend für andere Staaten sein könnte und Sambia damit in eine Führungsrolle wachsen könnte. Im übrigen hat uns Dein Text auch wegen seiner journalistischen Qualität und der stilsicheren Sprache gefallen.
Also weiter so! Wir sind gespannt auf Deine nächsten Berichte.
Herzliche Grüße aus dem feucht-kalten Vreden ind das schwül-warme Lusaka.
Oma und Opa-Vreden