…fällt schwer! Wenn man mir vor einem Jahr gesagt hätte, dass Donald Trump tatsächlich der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird, hätte ich nur lachend den Kopf geschüttelt. Niemals würde er es schaffen! Aber genau das hat er jetzt getan. Wie konnten so viele Wähler – trotz seiner Skandale, rassistischen und sexistischen Äußerungen – immer noch für ihn stimmen?
Meiner Meinung nach sollten wir jetzt aber nicht vorschnell über Trumps Wähler urteilen und sie lediglich mit Adjektiven wie „dumm“, „weiß“ oder „ungebildet“ beschreiben – denn damit würden wir im Prinzip das gleich machen, was wir ihnen vorwerfen. Man muss diesen Großteil der U.S.-amerikanischen Bürger ernst nehmen und ich möchte trotz meiner gegensätzlichen Ansichten versuchen, sie etwas zu verstehen.
In den USA gibt es einen extremen kulturellen Stadt-/Landunterschied – das ist auch in den Wahlergebnissen deutlich geworden. Viele Journalisten und ausländische Expats leben tatsächlich in einer Art Stadtblase umgeben von lauter bestens ausgebildeter Menschen und ohne viel Kontakt zu Leuten, die auf dem Land leben. Während die New Yorker fassungslos sind und nun in Scharen gegen President-elect Trump demonstrieren, sieht es in Orten fernab der Großstädte ganz anders aus. In dem Dorf im tiefsten Minnesota, in dem ich 2010/2011 ein High School Jahr gemacht habe, haben mehr als 70% der Einwohner für Trump gestimmt. Ich habe mit einer Familie gelebt (die ich übrigens 2013 auch nochmal besucht habe), die Trump seit Ankündigung seiner Präsidentschaftskandidatur voll unterstützt hat. Viele meiner damaligen Freunde finden Trump super und geben ihre Meinung in sämtlichen sozialen Netzwerken kund. Wie ich mich in so einer Umgebung einfinden und tatsächlich auch zu Hause fühlen konnte? Naja, zugegebenermaßen habe ich damals einfach mit niemandem über Politik diskutiert – das ist mir im Alter von 15 Jahren auch noch etwas einfacher gefallen, als es heute vermutlich der Fall wäre. Aber abgesehen davon sind Trump-Wähler auch nicht nur hasserfüllte Menschen, wie man vielleicht annehmen könnte, und ich habe sie auch nicht als komplett verbittert oder unzufrieden mit ihrem Leben erlebt. Man darf halt nur nicht vergessen, dass sich die Kultur im Landesinneren der USA in einigen Punkten doch deutlich von der deutschen Kultur unterscheidet.
Ein ganz zentraler Aspekt dabei ist und bleibt das Recht auf den Besitz von Schusswaffen (zweiter Zusatz der amerikanischen Verfassung). Waffen ohne größere Probleme im Laden um die Ecke einfach kaufen zu können und immer griffbereit zu haben gehört zu einer der wichtigsten Freiheiten der auf dem Land lebenden Bürger. Die Hauptattraktion des Jahres ist für viele Minnesotans die Jagdsaison im Herbst: Man steht in aller Herrgottsfrühe auf um mit Familie und/oder Freunden zum Hirsch jagen zu gehen. Die getöteten Tiere werden dann in der Garage aufgehängt, wo sie ausbluten können, und wer am Ende das größte Tier mit dem imposantesten Geweih erlegt hat wird gefeiert. Klingt für uns wie aus einer anderen (lang vergangenen?) Welt – ist es auch! Aber es ist ein Hauptbestandteil der Kultur und bedeutet für die meisten Spaß und Freiheit.
Die Kehrseite: Waffenmissbrauch und Amokläufe. Die Waffenverteidiger argumentieren „Guns don’t kill people, but people kill people!“ – und schieben die Tragödien ausschließlich auf kranke Täter. Letztendlich hält man die Wahrscheinlichkeit auch für zu gering, dass man selbst eines Tages Opfer eines solchen Missbrauchs wird und stellt diese Gefahr (noch) der eigenen Freiheit unter. Eine Hillary Clinton hätte weiter für eine Verschärfung der Waffengesetzte gekämpft, was für viele Amerikaner ein großer Einschnitt in ihre private Freiheit und Freizeitgestaltung bedeutet hätte. Donald Trump hingegen hat versprochen – und in diesem Aspekt halte auch ich ihn tatsächlich für glaubwürdig – die Waffengesetze nicht anzurühren.
Ein weiteres politisches Thema, das viele ganz direkt betrifft sind Militäreinsätze und der Umgang mit Veteranen. Viele sind oder waren selbst Soldaten oder haben Verwandte, die ‚dem Staat gedient‘ haben. Soldaten und Veteranen genießen in den USA ein sehr hohes Ansehen, es wird ihnen sogar ein ganzer Feiertag gewidmet – der Veterans Day, der übrigens genau heute, am 11.11. ist! Während Trump die Veteranen in sehr hohem Maße würdigt und ihnen auch finanzielle Versprechungen macht, sind die meisten der Meinung, dass Hillary sie schlecht behandelt hat, sich nicht genug für sie einsetzte und für viele der gefallenen Männer verantwortlich ist, da sie unter Anderem dem Irak-Krieg zugestimmt hat.
Bekannt ist auch, dass der Patriotismus tief verwurzelt in der amerikanischen Kultur ist. Es ist ganz normal, dass an jeder Ecke die amerikanische Flagge gehisst ist und es gehört zum Alltag, dass man z.B. jeden Morgen in der Schule den s.g. Pledge of Allegiance (einen Treueschwur gegenüber der Nation) spricht. Zu diesen Werten passen ganz allgemein Trumps Grundsätze besser. Er will den Fokus wieder auf das eigene Land legen und in erster Linie nicht mehr die Probleme der Welt lösen.
Was leider auch stimmt ist, dass es ein sehr ausgeprägtes ‚Schubladendenken‘ in den ländlichen Regionen der USA gibt. In Minnesota z.B. findet man kaum Schwarze oder Latinos und vor allem Leute der LGBTQ community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer) ziehen sich in die Städte zurück – weil sie auf dem Land gegen schwere Vorurteile zu kämpfen haben. Schublade auf – Fremdes rein – Schublade zu, das geht leider ganz schnell, da viele Minnesotans wenig in Kontakt mit anderen Perspektiven kommen. Reisen kann sich die Mehrheit, vor allem mit den großen und kinderreichen Familien, nicht leisten. Die meisten haben vielleicht gerade mal die Grenze zu einem Nachbarstaat überschritten – mein Gastvater z.B. hat noch nie das Meer gesehen. Diese Ausgangssituation macht es für viele schwierig, Trumps rassistische Äußerungen zu hinterfragen – vielmehr freuen sie sich, dass sich jemand über die political correctness hinwegsetzt.
Was für mich weiterhin sehr schwer zu begreifen ist, wie viele anscheinend über Trumps Sexismus hinwegsehen konnten. Ich glaube, dass es tatsächlich nur wenige Gründe gegeben hätte, die seine eingefleischten Befürworter noch dazu bewegt hätten, sich von ihm abzuwenden. Vielleicht hat es ihn ihrer Ansicht nach sogar etwas ‚normaler‘ oder ‘nahbarer‘ gemacht – ein Mann mit Fehlern.
Fest steht, dass sich keiner dieser Amerikaner mit der ‚aalglatten‘ Hillary in irgendeiner Weise identifizieren konnte. Sie lebt in einer komplett anderen Welt (Trump zwar auch, aber nicht so offensichtlich) und die Wähler haben das Gefühl, dass sie ihnen alles wegnehmen würde, was ihnen lieb ist. Hillary Clinton war durch ihre E-Mail Affäre und so einige dubiose Spender der Clinton Foundation selbst zu angreifbar, um Trump beispielsweise auf die Nichtveröffentlichung seiner tax returns festzunageln. Es ist ihr im Gegensatz zu Trump nicht gelungen, die Nichtwähler und Unentschlossenen zu mobilisieren (die Wahlbeteiligung lag bei nur 55%) und sie konnte vielen Amerikanern leider nicht glaubhaft deutlich machen, dass Donald Trump absolut ungeeignet als ‚Anwalt der kleinen Leute‘ ist.
Es bleibt offen, wie Donald Trumps Politik tatsächlich aussehen wird – darüber kann man im Moment nur spekulieren. In diesem Wahlkampf kam es den meisten Wählern nicht auf handfeste Strategien und Argumente an, sondern vielmehr auf ‚einfache Lösungen‘. Einen Lösungsansatz wie man die Trump-Wähler wieder mit rationalen Argumenten überzeugen kann, ohne dass sie Angst haben müssen ihre Kultur zu verlieren habe ich leider nicht. Aber vielleicht werde ich mir da ja in den nächsten schlaflosen Nächten den Kopf drüber zerbrechen!
Ein super informativer Artikel, merci beaucoup!!