Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich ich am 17. März um 18:30 war, als ich am Bahnsteig in Rabat stand und auf den Zug nach Asilah gewartet habe. Nach 6 Wochen Uni, 4 Midtermexams und 4 Home Assignments später, wurde es doch einfach mal Zeit, dass ich dieses Land kennenlernte in dem ich jetzt doch schon einige Wochen lebte. Zwar hatte ich schon Marrakech und logischerweise Rabat gesehen, aber überzeugt, dass diese beiden Städte repräsentativ für Marokko seien, war ich nicht. Falls ihr euch jetzt fragt, was denn nun repräsentativ für Marokko ist, kann ich euch gleich verraten, dass ich darauf keine Antwort habe und wohl auch in nächster Zeit keine finden werde. Marokko ist facettenreich, kompliziert, im Wandel und ein Gegensatz in sich selbst.

Nun aber zurück zum Kontext: Mit Malin und Salvatore ging es für eine Woche in den Norden Marokkos: Asilah – Tanger – Tetouan – Sebta – Tetouan – Chefchaouen – Fes 

Reiseroute Norden Blog
Unsere kleine Rundreise im Norden

Asilah ist ein kleines Fischerdorf an der Westküste, welches wir mit dem Zug erreicht haben. In Asilah sprechen die Leute neben Arabisch auch Spanisch, denn der Norden Marokkos war früher eine spanische Kolonie. Schnell durfte ich feststellen, dass ich mittlerweile einen gesunden Mix aus Spanisch und Französisch spreche und ich wohl der einzige Mensch bin, der das versteht. Wir übernachteten in einem schönen Hostel, welches uns empfahl am nächsten Tag eine kurze Wanderung zum Paradice Beach zu machen, einem Strand irgendwo im Nirgendwo. Die Betonung sollte hier auf kurz liegen, denn der nette Mann vom Hostel meinte, dass wir maximal eine Stunde brauchen würden und der Weg etwas steinig ist, aber ansonsten gar kein Problem. Pustekuchen. Wir liefen 2 1/2 Stunden über Stock und Stein, kletterten Hügel hoch und kamen irgendwann glücklich, aber müde an unserem Ziel an. Als wir ganz am Anfang unserer Wanderung zwei Frauen am Strand fragten, wo denn jetzt nur der Weg zum Paradice Beach war, fingen sie nur an zu lachen und meinten: Seht ihr denHügel dahinten? Dahinter ist ein zweiter Hügel und dahinter Paradice Beach. Viel Glück!
Nichtsdestotrotz war die Wanderung wunderschön, denn wir konnten fernab der großen Städte die Natur genießen. Wenn da der Müll nicht gewesen wäre. Es macht mich doch immer wieder traurig, warum wir unsere Umwelt so verschmutzen müssen. Immer dann, wenn wir Stücke passierten, wo weit und breit kein Mensch und Haus zu sehen war, war es sauber. Kamen wir an einem Haus vorbei, wurde es dreckig. Auf Fotos halten wir immer nur die atemberaubende Aussicht, die wunderschöne Natur fest, das blaue Meer, die groben Felsen, die Grünen Pflanzen und die bunten Blumen. Der Müll wird feinsäuberlich aus dem Bild geschnitten. Aber leider ist er ein Teil der Realität.
Nun aber wieder zurück zu unserer Wanderung. Irgendwann kamen wir dann an dem Strand an und er war wirklich schön. Leider auch ein bisschen dreckig, aber es war wirklich fast kein Mensch dort und wir hörten nur das Meeresrauschen. Während unserer Wanderung haben wir drei schon beschlossen mit dem Taxi zurück ins Hostel zu fahren. Hätten wir da nicht ein kleines Problemchen gehabt: Wir hatten kein Netz am Strand. Kein Netz weit und breit! Was macht also der Handy und App abhängige Mensch des 21. Jahrhunderts? Genau, Google Maps benutzen! In allerletzter Not wies uns die App also doch den Weg zurück zur Zivilisation (Offline Modus). Den Berg hoch, an Ziegen & Schafen vorbei, erreichten wir einen Punkt, wo wir wieder Netz hatten und ein Taxi anrufen konnten. Von Asilah ging’s dann weiter nach Tanger!

Tanger ist eine schöne Stadt an einem interessanten Fleck der Erde gelegen. Während der Kolonialzeit hatte die Stadt internationalen Status, was ihr auch heute noch eine besondere Atmosphäre gibt. Hier schliefen wir bei einem Couchsurfer, den Malin schon kannte und erlebten wohl den absoluten Luxus: Die Wohnung lag direkt am Meer und so wachten wir morgens mit Wellenrauschen und den Blick auf die spanische Küste auf. Es ist schon verrückt gewesen im Café Hafa zu sitzen und auf der anderen Seite Spanien zu sehen- Afrika und Europa, Marokko und Spanien getrennt durch ein bisschen Meer, so nah und doch so fern. In Tanger hatten wir das Glück  einen tollen Film im Cinema RIF zu sehen, der Titel auf Englisch heißt As I opened my eyes, ist auch auf YouTube mit französischen Untertitel zu finden. Ein Film, der im Tunesien direkt vor bzw. zu Beginn des Arabischen Frühlings spielt. Produziert von einem jungen Team mit einer tollen Schauspielerin als Hauptdarstellern, jung, erfrischend, erschreckend ehrlich und mit Szenen die unter die Haut gehen.

Von Tanger ging’s weiter über Tetouan weiter nach Sebta (Ceuta). Sebta ist eine kleine Stadt mit 84000 im Norden an der Küste gelegen und gehört nicht zur Marokko, sondern zu Spanien. Neben Sebta gibt es noch eine weitere Stadt, Melilla, die zu Spanien gehört, aber am Rande Marokkos liegt (in Marokko wäre wohl nicht politisch korrekt). Ich gebe ehrlich und offen mein Unwissen zu: Bis vor ein paar Monaten wusste ich von dieser kleinen spanischen Stadt nichts. Spanien als Teil der EU also auf dem afrikanischen Kontinent? Das konnte ja nur interessant werden und das wurde es auch. Dazu muss gesagt werden, dass mich mehr der geographische und politische Kontext interessierte, Sebta ist eine nette Stadt, aber das wars auch schon. Von Tetouan kann man einen Bus nach Fnidek nehmen und dann die letzten 4 km zur Grenze laufen oder sich von einem Taxi bringen lassen. Wir wählten Variante 2 und kamen schon bald am Grenzstreifen an. Da wurden wir erstmal gefragt, ob wir nicht die kleinen weißen Zettelchen kaufen wollten, die man ausfüllen muss, um das Visum zu bekommen und 100 Meter weiter kostenlos bekommt und ob wir ganz sicher nicht noch schnell illegal Geld wechseln wollten. Nope, wollten wir nicht und dann ging es auch schon zu den Beamten. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich um einen Stempel in meinem Passport hoffen. Kamen wir nach Sebta doch auch wegen des Visums für die nächsten 3 Monate (man bekommt ein 3 monatiges Touristenvisum und muss ausreisen, um nochmal 3 Monate zu bekommen). Wir haben nämlich gehört, dass die Beamten aufgrund jüngster Ereignisse nicht mehr so einfach die Stempel rausrückten. Wir hatten aber Glück und bekamen den Ausreisestempel und konnten passieren. Der Grenzstreifen ist wirklich ein ziemlich trostloser Ort. Durch Metallgitter und Gänge kamen wir unserem Ziel, spanischen Boden, doch näher bis wir die Gepäckkontrollen passierten. Es ist unglaublich, aber da war kein Mensch. Wir hätten sonst was schmuggeln können und es hätte niemand bemerkt. Das Gepäckband war ausgeschaltet und der Raum menschenleer. So konnten wir ohne weitere Probleme in Spanien eintreten. In 24h Sebta waren Burritos, endlich wieder Salami, Vollkornbrot und eine Runde Kulturschock inklusive. Wir waren nämlich am Palmsonntag in Sebta und das wird in Spanien groß gefeiert. Die kleinen Mädchen und Jungen waren herausgeputzt und wir wurden Zuschauer einer Prozession, die katholischer nicht hätte sein können. Goldene Wagons mit dunkelroten Samttüchern, Jesus am Kreuz, einem Ritter auf seinem Pferd und dazu die Glocken der Kirche – Moment mal, wo bleiben denn die Rufe des Muwazin, um die Gebetszeit anzukündigen?- zeigten uns mehr als deutlich, dass wir wieder in Europa waren. Marokko lag nur wenige Kilometer entfernt, doch stand die Grenzmauer nicht nur für das geographische und politische Ende Marokkos bzw. Spaniens, sondern auch für das kulturelle. Ich muss auch sagen, dass ich mich ein wenig heimisch fühlte. Klar, Spanien ist definitiv nicht Deutschland, aber man merkt wohl doch, dass es sich um den gleichen Kulturraum handelt.

Ein anderer Aspekt, den ich auch noch sehr interessant fand, war das Gefühl, wenn ich mir vorstellte hier wohnen zu müssen. Ich habe mich noch nie so eingeengt gefühlt. In die eine Richtung die Grenzmauer, in die andere das Meer. Mal eben so 30 km in eine Richtung fahren ist nicht drin. Auch hier war die Aussicht wieder einmalig: Marokko hinter mir und Gibraltar vor mir. Die Erde ist schon ein faszinierender Ort.

Nach 24h Sebta ging es wieder zurück in unsere Wahlheimat für dieses Semester. Wir mussten wieder zurück nach Tetouan und darauf freute ich mich gar nicht, denn beim ersten Mal habe ich es nur als dreckige, laute Stadt mit Männern, die mich blöd anglotzten wahrgenommen. Allerdings sagte uns der Reiseführer, dass die Medina von Tetouan zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Verbirgt sich also doch mehr hinter der Fassade Tetouans? Als wir im Bus zurück saßen, holte mich der Kulturschock für eine kurze Zeit ein. Ich kam mir fremd und falsch in diesem Bus voller Männer und Frauen vor. Aber das sollte schnell wieder vergehen, als wir in die Medina eintauchten, uns in den Gassen verloren, kurze Gespräche mit den Verkäufern führten, den Muwazin hörten und ich mich wieder wohl fühlte. Ja, das war mein Marokko, das war was ich an dir so liebe. Dieser kurze Ausflug lässt mich Marokko nun bewusster erleben mit all den Schattenseiten und mit all den Schätzen, die es mit sich bringt.

Weiter ging es nach Chefchaouen. Chefchaouen ist ein kleines Städtchen, ganz in blau gestrichen und mitten in der Hochburg des Cannabisanbaus. Ja, richtig gehört! Falls ihr es noch nicht gewusst habt, Marokko ist nicht nur der einzige Ort an dem die berühmt berüchtigte Arganpflanze angebaut wird, sondern auch ein wichtiger Vertreter im Cannabisanbau. Chefchaouen ist eine wunderschöne Stadt in den Bergen, aber wirklich nur wenn es nicht regnet. Das hat es leider bei uns, also blieben wir nur eine Nacht und fuhren am nächsten Morgen nach Fes. Chefchaouen 2.0 kommt aber sicherlich noch. Seid gespannt!

Fes eilt der Ruf der kulturellen Hauptstadt Marokkos vor. Mit seiner Jahrhundert alten, ja wenn nicht sogar Jahrtausend alten Medina, in der man gar nicht anders kann, als sich zu verlaufen, soll es ein Schmuckstück Marokkos sein. Fes ist auch Hochburg der Lederproduktion und so bekommt man die Möglichkeit live mitzuerleben wie die Taschen an den Straßenständen zu Taschen werden. Fes ist aber leider auch ein Muss für alle Touristen in dem Land, gefühlt zur gleichen Zeit alle möglichst am gleichen Ort. So wurden uns die  negativen Konsequenzen des Tourismus nur zu gut aufgezeigt. In dem Moment, in dem ich nicht mehr alleine durch die Medina laufen kann, ohne von illegalen Guides verfolgt und belabert zu werden, hört der Spaß bei mir auf. Ein kleines Beispiel: Wir waren auf der Suche nach einem Hostel und haben nicht online gebucht, aber auf Hostelworld nach freien Hostels geschaut. Als wir nun unser zukünftiges Hostel fanden, klingelten wir und traten ein. Es hatte sich ein Mann neben uns gestellt und wir dachten, dass es einfach ein Freund des Besitzers gewesen wäre. Pustekuchen die zweite. Der Typ hatte ernsthaft behauptet uns den Weg zu dem Hostel gezeigt zu haben und wurde bezahlt. Die Hostelbesitzer geben diesen illegalen Guides immer eine kleine Provision, wenn sie Gäste zu dem jeweiligen Hostel führen. Aber, wenn ich keinen Service in Anspruch nehme, möchte ich auch nicht dafür zahlen. Nichtsdestotrotz, ist Fes natürlich eine wunderschöne Stadt. Es gibt so viel zu entdecken und wir haben nur einen klitzekleinen Bruchteil gesehen. So freue ich mich schon auf Fes 2.0 und hoffe dann erfreulicheres berichten zu können.

Nach einer Woche Uni habe ich wieder eine Woche Ferien und habe diesen Blogeintrag gerade auf dem Weg zum Flughafen geschrieben, um meine Eltern abzuholen! Weitere Reiseberichte wird es also geben!

Bslama!

Eure Katharina

P.S. Diesen Blogeintrag wollte ich nicht ohne ein paar Bilder veröffentlichen, daher hat es ein wenig gedauert. Mittlerweile habe ich Fes und Chefchaouen zum zweiten Mal gesehen, meine Eltern haben mich besucht, und ich war in der Wüste. Diese Woche ist meine letzte Uniwoche, das langersehnte Ende ist also in Sicht!

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