¡Mexicanos! ¡Vivan los héroes que nos dieron patria! ¡Viva Hidalgo! ¡Viva Morelos! ¡Viva Josefa Ortíz de Dominguez! ¡Viva Allende! ¡Viva Aldama ! ¡Viva Matamoros! ¡Viva la Independencia Nacional! ¡Viva México! ¡Viva México! ¡Viva México!

Mexikaner! Es leben die Helden, die uns unser Vaterland gegeben haben! Es lebe Hidalgo! Es lebe Morelos! Es lebe Josefa Ortíz de Dominguez! Es lebe Allende! Es lebe Aldama! Es lebe Matamoros! Es lebe die Unabhängigkeit unseres Landes! Es lebe Mexiko! Es lebe Mexiko! Es lebe Mexiko!

Jedes Jahr in der Nacht zum 16. September, gegen 23:00, werden diese Worte in ganz Mexiko, sowie weltweit in allen Konsulaten und Botschaften des Landes, ausgerufen. Das bei weitem größte und wichtigste Ereignis des „Schreis von Dolores“, wie der Ruf genannt wird, findet auf dem zentralen Platz in Mexiko Stadt vor dem Regierungspalast statt. Über eine halbe Million Menschen schauen dem Präsidenten zu, wie er erst die Glocke des Palastes erklingen lässt, die gennanten Worte ruft, die Glocke ein zweites Mal läutet, und anschließend zum Ertönen der Nationalhymne die mexikanische Flagge weht. In anderen Städten erfüllen Bürgermeister, Provinzgouverneure, Botschafter und Generalkonsuln diese Rolle.

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Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto zum Schrei von Dolores auf dem Balkon des Regierungspalastes am Unabhängigkeitstag 2013 (Foto von Wikipedia)

Gefeiert wird hierbei zwar die mexikanische Unabhängigkeit von 1821 – weshalb der 16. September als „día de la independencia“ auch nationaler Feiertag ist, allerdings wurde der berühmte „grito de Dolores“ über zehn Jahre vorher zum ersten Mal ausgerufen. Am 16. September 1810 ließ Priester Miguel Hidalgo y Costilla nachts um zwei die Kirchenglocken läuten und seine Gemeinde zusammenrufen und rief zur Revolution, gegen die Kolonialregierung sowie zur Unabhängigkeit vom französisch besetzten Spanien auf. Die genauen Worte der berühmtesten Rede in der Geschichte Mexikos sind leider verloren gegangen, wurden im Laufe der Zeit allerdings wie folgt überliefert:

¡Viva nuestra madre santísima de Guadalupe, viva Fernando VII y muera el mal gobierno! ¡Viva la América, viva Fernando VII, viva la religión y mueran los gachupines! ¡Viva la religión católica, viva Fernando VII, viva la patria y reine por siempre en este continente americano nuestra sagrada patrona la santísima Virgen de Guadalupe, muera el mal gobierno! ¡Viva Fernando VII, viva América, viva la religión y muera el mal gobierno! ¡Viva Fernando VII y la Virgen de Guadalupe! ¡Viva la religión, viva nuestra madre santísima de Guadalupe, viva Fernando VII, viva la América y muera el mal gobierno!

Hierbei wird mehrmals eingegangen auf die Rolle des Katholizismus in der damaligen (und auch noch heutigen) Gesellschaft, die schlechte Regierungsführung der spanischen Kolonialherren (die eine eigene elitäre und undurchlässige gesellschaftliche Schicht bildeten), die Jungfrau von Guadeloupe (das bedeutendste Marienheiligtum Mexikos) sowie dem Spanier Ferdinand VII, dem 1808 unter der Besatzung Napoleons die spanische Königskrone entsagt wurde – man forderte zunächst nämlich zwar Autonomie, aber immer noch als Mitglied eines spanischen Commonwealths.

Auf diese Proklamation folgte allerdings zunächst ein jahrzehntelanger Unabhängigkeitskrieg, der erst 1821 endete und Mexiko von der Herrschaft Spaniens trennte. Auch die Geschichte des Landes der folgenden Jahrzehnte ist hochbrisant und seine Politik alles andere als stabil. Nur ein Beispiel: in den 55 Jahren nach der Unabhängigkeit regierten 75 verschiedene Präsidenten das Land – aber das behandeln wir vielleicht eher in einem separaten Blogeintrag (IRMler, freut euch schonmal auf meine IHaKo-Präsentation im Juni).

So viel zum historischen Hintergrund des Feiertags zur Unabhängigkeit, der dieses Jahr auf einen Freitag fiel und uns deshalb allen ein langes Wochenende bescherte. Wie habe ich diese Tage verbracht? Momentan sind meine Oma und Tante aus Buenos Aires bei meinen Eltern und mir zu Besuch, also konnten wir über die Feiertage ein nice family weekend getaway genießen. Von Aguascalientes aus sind wir ins ca. 250km entfernte Tlaquepaque gefahren, ein Vorort der zweitgrößten Stadt Mexikos, Guadalajara. Die Stadt ist vor allem durch ihr vieles Kunsthandwerk aus Leder, Glas und Keramik bekannt – dementsprechend haben wir auch das ein oder andere mit nach Hause genommen. #noregrets

Tlaquepaque hat wie viele mexikanische Städte einen wunderschönen historischen Stadtkern mit Plaza, Kathedrale und Kolonialarchitektur. Mehr oder weniger per Zufall standen wir zum Beispiel plötzlich in einem herrlich idyllischen Innenhof, der von einer großzügigen Kolonnade umgeben war, die viele kleine Restaurants beherbergte. In der Mitte stand ein kleiner Pavillon, in dem erst eine Gruppe einen traditionellen Tanz der Einheimischen aufführte und danach eine Mariachi-Band Musik spielte. Fun fact: Früher glaubte man, das Wort Mariachi komme daher, dass französische Einwanderer die Musik fälschlicher Weise mit Hochzeiten konnotierten – „mariage“. Mittlerweile aber hat man diese Theorie widerlegt, da man weiß, dass das Wort schon vorher benutzt wurde. #themoreyouknow

Samstag Abend hatten wir dann das Glück, vom Dach unseres Hotels aus dem großen Feuerwerk (siehe Titelbild) zum Feiertag zuzuschauen – wird doch in Tlaquepaque die Unabhängigkeit einen Tag später am 17. September gefeiert, wie wir uns von einem Local haben sagen lassen. Rundum also ein schönes, entspanntes Wochenende mit viel Essen, Ausruhen, Einkaufen und Genießen. Wie soll es auch anders sein!

Was aber auch gerade dieses Wochenende wieder einmal deutlich wurde, ist der Vergleich zu Deutschland. Feste wie am 4. Juli in den USA, am 14. Juli in Frankreich oder eben auch am 16. September in Mexiko kann man sich in Deutschland so eigentlich nicht vorstellen. Angela Merkel oder Joachim Gauck auf den Stufen des Bundestags, die erst „es lebe Deutschland“ rufen und dann zur Nationalhymne Schwarz, Rot und Gold wedeln, vor mehreren Hunderttausend mitsingenden Menschen auf dem Platz der Republik in Berlin? Eigentlich undenkbar. Und genau in dem Kontext habe ich mich auch schon unter anderem mit US-Amerikanern und Mexikanern unterhalten und gemerkt, dass es more often than not nicht verständlich wird, wieso wir Deutsche oft diese Einstellung haben. Auch mit Hinblick auf die Geschichte Deutschlands bleibt die Frage für meine Gesprächspartner dann eher unzufrieden beantwortet. Meine amerikanische Professorin in Deutschland sagte einmal, sie könne nicht glauben, dass die deutsche Wiedervereinigung eigentlich in keiner Weise gefeiert wird. Nicht in Hinblick auf nationale Feiertage oder große offizielle Feierlichkeiten, sondern persönliche, familiäre Feste, die das Überkommen von fast einem halben Jahrhundert deutscher Teilung feiern – analog zu den vielen Familienfesten mit Feuerwerk, BBQ und Bier in den USA (Bzw.: wir zumindest feiern diesen Tag zuhause in keiner Weise. Mich würde interessieren, ob es aber tatsächlich Leute gibt, die den 3. Oktober privat feiern).

Ich möchte damit nicht sagen, dass so etwas zwingendermaßen in Deutschland fehlt. Trotzdem ist es interessant, einen Blickwinkel von außen auf die Geschehnisse im eigenen Land zu bekommen, durch den solche Unterschiede erst auffallen und deutlich werden. Bleibt neugierig!

My favourite words are possibilities, opportunities and curiosity. I think if you are curious, you create opportunities, and then if you open the doors, you create possibilities.
– Mario Testino

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