AAm 08.11.2016 bin ich friedlich ins Bett gegangen und dachte mir: Schaut die Welt morgen noch genauso aus? Am nächsten Tag bin ich mit 20 neuen WhatsApp Nachrichten aufgewacht – Donald Trump war dabei, die Wahl zu gewinnen. Den Rest der Geschichte kennen wir.
Wie war eigentlich die erste Reaktion in Brüssel?
In den Tagen nach der Wahl war ich auf zwei Debatten zum Ergebnis der US-Wahl. In den Ausschüssen im Europäischen Parlament spielte die Wahl eine Rolle. Was sind aber nun die Erkenntnisse?
So niemand hatte wirklich mit diesem Ergebnis gerechnet und sich darauf vorbereitet. Das A und O sei es, Kontakte zum Trump-Team aufzubauen. Juncker viel erstmal nur ein: „Niemand kennt ihn, aber ich habe den Eindruck, wir werden ihn kennenlernen. Er uns aber auch.“
Mittlerweile war ist Zeit vergangen. Man weiß immer noch nicht so wirklich, was Trump machen wird – alles ist möglich.
Europa muss erwachsen werden. Europa muss Verantwortung übernehmen. Europa muss sich beweisen. Mit Trump kommt das Unvorhersehbare, wir alle kennen seine Versprechen, wissen aber nicht, was er wie wahrmachen will. NATO-Bündnis? Mauerbau? Freihandel? Internationale Führung? Verantwortung übernehmen? Klimawandel? Weiter durch Twitterbotschaften drohen?
Trump ist Obamas Gegensatz, mit der republikanischen Partei sollte er eine Linie finden. Daher waren die Reaktionen eindeutig: Europa hat die letzten Jahrzehnte viel gelernt, konnte sich auf Amerika verlassen – mit Trumps „America first“-Strategie könne sich da aber etwas verändern. Ist das nicht aber auch eine Chance? Einhellige Meinung auch darüber, dass Trump nun Präsident sei, man abwarten müsse, wie er sich verhalten werde. Er solle eine Chance bekommen.
Ein kleiner Reminder: Was Trump nicht alles gesagt hat.
Donald Trump, US-Präsident – eine Auswahl seiner Aussagen:
Über mexikanische Einwanderer: „Mexiko schickt uns nicht die besten. Es schickt Menschen, die viele Probleme haben. Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger und einige, nehme ich an, sind auch nette Leute.“
Über Hillary Clinton: „Wenn Hillary Clinton nicht einmal ihren Ehemann befriedigen kann, was lässt sie glauben, sie könnte Amerika befriedigen?“
Über Kriminalität in Deutschland: „Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel werden, und ihr wisst, was für eine Katastrophe diese massive Einwanderung für Deutschland und die Menschen Deutschlands ist. Die Kriminalität ist auf ein Niveau gestiegen, das niemand je zu sehen geglaubt hat.“
Über den Klimawandel: „Das Konzept der globalen Erwärmung wurde von und für die Chinesen erfunden, um amerikanische Produkte nicht wettbewerbsfähig zu machen.“
Wie soll jemand Präsident aller sein, wenn er so viele Gesellschaftsgruppen beleidigt und verachtet hat? Wie soll er jemals überzeugend für die Rechte Anderer eintreten? Für mich ist Donald Trump der Inbegriff von Unglaubwürdigkeit.
Wie konnte es nur so weit kommen? Was heißt das aber nun für uns?
Die Presse hat ihm beim Wort genommen, aber nicht ernst. Seine Wähler nehmen ihn ernst, aber nicht beim Wort. Und das fasst meine persönliche Erkenntnis aus diesem Ergebnis gut zusammen: Wenn jemand US-Präsident wird, der so offenkundig lügt. Seine Wähler dies wissen – zumindest teilweise – ihn aber trotzdem wählen. Was sagt das über den Zustand der Demokratie aus? Wenn die Menschen sich so von Emotionen leiten lassen, so einfach zu manipulieren sind und einfach nur was Anderes wollen, egal wofür das Andere steht. Was heißt das für uns?
Aus den besuchten Debatten hier, wurde auch vermittelt: Amerika und Europa vertreten die gleichen Werte. Allerdings hätte Trump in Deutschland wohl wenig Zuspruch gefunden. Aber ist Trump nicht einfach nur die amerikanische Version der deutschen AfD? Ist die AfD nicht einfach unser Donald Trump?
Wir haben gesehen, dass Deutschland nicht immun gegen den Populismus ist. Genauso wenig wie der Rest Europas. Wir haben aber die Chance vor unserer Bundestagswahl aus dem Wahljahr 2016 zu lernen und dem weiteren Aufstieg des Populismus in Deutschland etwas entgegenzuwirken. Ein fragmentiertes Europa mit Populisten an der Spitze, bedeutet ein instabiles Europa. Das können wir uns nicht leisten.
Eine Wahl in Deutschland hat nicht nur Konsequenzen in Deutschland. Eine Wahl in Deutschland könnte ein Richtungswechsel in der EU bedeuten. Genauso in den anderen Ländern. Die polnische und ungarische Regierung machen die Arbeit in der EU nicht unbedingt leichter.
Wir sind jung und haben unsere Zukunft selbst in der Hand. In Großbritannien war es so und in den USA auch: Die jungen Wähler sind in GBR nicht zur Wahl gegangen oder haben für REMAIN gestimmt. Die jungen Leute aus den USA haben eher für Clinton gestimmt. In beiden Ländern müssen sie mit dem Wahlergebnis leben. Der Ein oder Andere mag sich fragen: Hätte ich nicht mehr für meine Überzeugung tun können? Lasst uns unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. Deine Stimme zählt.
Wir müssen etwas tun.
Lass uns Lehren aus der Vergangenheit ziehen und etwas tun. Wir müssen miteinander kommunizieren. Auch wenn das manchmal anstrengend ist, erschütternd und nervt. Wenn wir aufhören miteinander zu reden, wie sollen wir einen Kompromiss finden? Wie sollen wir Meinungen Anderer verstehen? Wie können wir uns sicher sein, dass unsere Meinung fundiert, unsere Argumente logisch sind, wenn wir uns nie herausfordern?
Daher fangen wir doch zuerst bei uns selber an: Wie denke ich über die Themen? Warum denke ich so? Werde ich von Vorurteilen geleitet? Woher ziehe ich mein Wissen? Und was hat meine Meinung für Konsequenzen?
Und dann fragen wir andere Menschen, warum sie so denken, wie sie denken. Wenn wir jemanden treffen, der als einzigen Ausweg die AfD in Deutschland sieht, fragen wir warum und hinterfragen.
Wir müssen anfangen auf Menschen, die nicht so denken wie wir zuzugehen und sich gegenseitig kennenzulernen. Ich diskutiere oft mit meinen Freunden über Politik und die Entwicklungen. Meistens sind wir uns einer Meinung. Es ist schön zu sehen, dass es Menschen mit der gleichen Meinung gibt. Reicht das?
Es muss nicht immer gleich eine Demo sein, man muss nicht sofort einer Partei angehören, Aktivistengruppen beitreten. Es ist doch schon mal ein Anfang bei sich selber beginnen und dann im Gespräch mit anderen zu diskutieren.
Das Einzige, wozu ich aufrufen möchte: Macht es jetzt. Fangt an darüber nachzudenken, was in der Welt passiert. Wenn ihr Fragen habt, informiert euch. Hinterfragt kritisch, was ihr lest und hört. Plappert nicht einfach nach. Setzt euch mit euren eigenen Gedanken auseinander. Und seid euch über die Konsequenzen bewusst: Was bedeutet das für andere? Eure Stimme zählt. Seid euch auch dieser Verantwortung bewusst. Handelt überlegt. Wenn ihr alles getan habt, was in eurer Macht steht, dann könnt ihr am Ende wenigstens sagen: Ich habe gekämpft.
Denkt nicht, dass Politik nur „von den da oben“ gemacht wird. Politik ist überall.
„Ihr werdet heute mehr gebraucht als jemals zuvor. Ergreift den Mantel der Geschichte. Denn dies ist eure Zeit.“ – Winston Churchill (Autobiographie „My Early Life“ gerichtet an junge Menschen seiner Generation)
Heute noch gültig.